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Visualisierung des geplanten Krankenhauses Wien-Nord.

Foto: APA/ARCHITEKTURBUERO WIMMER

Wien - Großer gesundheitspolitischer Wurf oder völlige Fehlplanung? Nicht nur bei den Rathausfraktionen, sondern auch bei den Gesundheitsökonomen gehen die Meinungen zum Krankenhaus Nord auseinander. Fest steht, dass die Stadt an dem neuen Krankenhausstandort einige hundert Millionen Euro binden wird - Geld, das anderswo fehlen könnte. Und so monieren andere Player im Wiener Gesundheitswesen, dass schon jetzt - lange bevor die ersten Baugeräte in Floridsdorf anrücken - andere Projekte mit dem Verweis auf die anstehende Großbaustelle abgedreht würden.

Der Standort des sozialdemokratischen Prestigeprojektes ist relativ unumstritten: Der stark wachsende Norden Wiens ist verhältnismäßig unterversorgt, während es im Westen zu viele Betten gibt. Fraglich ist aber, ob ein Spital in der geplanten Größe - im Endausbau soll es im Krankenhaus Nord fast 900 Betten geben - überhaupt sinnvoll ist. 400 bis 500 Betten, sagt Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS), seien im Allgemeinen eine kritische Größe. "Ab dann wird es wirklich schwierig, ein Spital effizient zu führen." Wesentlich sei etwa die Architektur. "Die Stockbauweise des AKH würde man heute nicht mehr wählen" , glaubt Czypionka, allein schon wegen der weiten Wege, die in dem 2000-Betten-Haus zurückgelegt werden müssen.

Für die Patienten hat das AKH aber einen entscheidenden Vorteil: die öffentliche Anbindung. Denn das Krankenhaus Nord muss laut derzeitiger Planung ohne U-Bahn auskommen.

Aus drei mach eins

"Gute Gründe" brauche man für einen derart großen Neubau, sagt IHS-Experte Czypionka. Die gebe es natürlich, betont die Sprecherin des Krankenanstaltenverbundes (KAV), Astrid Zimmermann: "Wir bauen ja kein Spital auf die grüne Wiese, sondern es wird einiges zusammengelegt." Drei Standorte - das Krankenhaus Floridsdorf, die Semmelweis-Frauenklinik und das orthopädische Krankenhaus Gersthof - werden im Krankenhaus Nord aufgehen, allein die hätten schon 450 Betten, sagt Zimmermann. Mit der Unfallchirurgie und der Kinder- undJugendpsychiatrie werden nur zwei Abteilungen neu geschaffen, der Rest übersiedelt aus anderen Krankenhäusern nach Floridsdorf. Wirtschaftlich sei der Krankenhaus-Neubau auch deswegen, weil die Standortkosten für die alten Häuser sehr hoch seien. "Die Modernisierung ist zum Teil nicht mehr durchführbar" , sagt Zimmermann.

Sechs Spitalsbetten pro tausend Einwohner soll es in Wien nach dem Krankenhaus-Neubau geben. Das ist deutlich über dem Schnitt der EU-15 (3,8 Betten); wie jeder Ballungsraum versorgt Wien aber auch das Umland, vor allem Niederösterreich, mit. Grundsätzlich obliegt die Spitalsplanung den Ländern, der Bund hat dabei überhaupt keine Handhabe. Er prognostiziert lediglich im "Österreichischen Strukturplan Gesundheit" den Versorgungsbedarf. (Andrea Heigl, DER STANDARD - Printausgabe, 14./15./16. August 2009)