Michael H. Böheim, arbeitet als Industrie- und Wettbewerbsökonom in Wien.

Foto: STANDARD

Das Niveau der bisherigen Debatte um das Veranlagungsmanagement der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA), die sich selbst als "Treasurer der Republik" bezeichnet, ist in etwa mit der Höhe des Rasens am Centre Court des All England Lawn Tennis and Croquet Club am Abend des 5. Juli 2009 vergleichbar (Finale!).

Das mag zwar, angesichts der Plattheiten, die man sonst auch in anderen Zusammenhängen hierzulande gewöhnt ist, wenig überraschen, ist aber nichtsdestotrotz ärgerlich. Während einige die (angeblich) großen Veranlagungserfolge hochjubeln, verdammen andere die "Staatsgeldspekulanten" ob der (angeblich) horrenden Verluste in Grund und Boden. Wer hat nun recht?

Beantwortung der "Gretchenfrage"

Folgende Überlegungen könnten für die Beantwortung der eingangs gestellten "Gretchenfrage" vielleicht ein paar zweckdienliche Hinweise liefern und zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen, auf dass sich auch deren Niveau von der Grasnarbe emanzipieren möge. Einen Versuch ist es jedenfalls wert.

Eingedenk der bisher Tiefenstruktur der politischen Debatte wurde darauf geachtet, dass die im Zuge dieses Versuchs angestellten und dokumentierten Berechnungen von jeder Person, die der Grundrechnungsarten mächtig ist beziehungsweise zumindest die Bedienung eines Taschenrechners beherrscht, nachvollzogen werden können. Informationsverluste durch notwendige Vereinfachungen wurden als Kollateralschäden in Kauf genommen.

In der im Standard vom 24. 7. 2009 veröffentlichten Übersicht "Bundesfinanzierungsagentur - Rekorderträge trotz Finanzkrise" werden die Netto-Erträge aus Veranlagungen der ÖBFA von 1998 bis 2009 dargestellt: in Summe über nicht ganz zwölf Jahre knapp eine dreiviertel Milliarde Euro, wobei nur zwei Jahre mit einem Netto-Verlust (2004 und 2005) ausgewiesen werden.

So beeindruckend diese Summe erscheinen mag, so irrelevant ist sie für die Beurteilung der Qualität der ÖBF als "Treasurer der Republik" . Wie jeder andere Treasurer auch sollte die "Performance" der ÖBFA an der Eigenkapitalrendite gemessen werden und nicht an nominellen Veranlagungserträgen. Um wirklich das Veranlagungsmanagement der ÖBFA beurteilen zu können, müssten also die Netto-Erträge dem eingesetzten bzw. veranlagten Eigenkapital gegenübergestellt werden. Da - auf die Schnelle - über das durchschnittlich jährliche Veranlagungskapital keine Informationen zu bekommen waren, wurden den hier angestellten Berechnungen folgende vereinfachte Überlegungen zugrunde gelegt:

1.Als Benchmark für die Veranlagung der ÖBFA wurde die Sekundärmarktrendite (SMR) des Bundes (= die durchschnittliche Rendite aller im Umlauf befindlichen, festverzinslichen Wertpapiere/Anleihen der Republik Österreich - besondere Kennzeichen: höchste Bonität, geringstes Risiko) normiert. Eine Veranlagung der ÖBFA wäre demnach als erfolgreich zu beurteilen, wenn die Rendite aus der Veranlagung höher als die SMR ausfiele.

2.Es wurden nur volle Kalenderjahre berücksichtigt. Die Berechnungen laufen also von 1998 bis 2008; 2009 bleibt als "Rumpfjahr" unberücksichtigt. Für den Zeitraum 1998 bis 2008 ergeben sich Netto-Erträge von knapp unter 700 Millionen Euro.

3.Zins- und Zinseszinseffekte bleiben unberücksichtigt.

4.Da - wie erwähnt - Informationen zum tatsächlichen Veranlagungskapital nicht zur Verfügung standen, wurde aus den Netto-Erträgen und der SMR des Bundes ein "fiktives Veranlagungskapital" errechnet, das notwendig gewesen wäre, um mit den ausgewiesenen Erträgen die SMR Bund realisieren zu können.

5.War das tatsächlich eingesetzte Eigenkapital der ÖBFA höher als das errechnete "fiktive Veranlagungskapital" , ist die Performance der ÖBFA als schlecht zu bewerten, da nicht einmal die Rendite einer Veranlagung in risikolose Staatspapiere (SMR Bund) erzielt werden konnte, obwohl bekanntermaßen durch die Veranlagung in "alternative Investments" ein höheres Risiko eingegangen wurde. War es umgekehrt niedriger, ist die Performance des "Treasurers der Republik" als gut zu bewerten.

Klarheit unerwünscht?

Die Ergebnisse der Berechnungen sind in der obenstehenden Tabelle wiedergegeben: Im Durchschnitt der Jahre 1998 bis 2008 hatte die ÖBFA demnach durchschnittliche Jahres-Netto-Erträge von etwas mehr als 60 Millionen Euro. Dafür hätte sie etwas weniger als 1,5 Milliarden Euro durchschnittlich pro Jahr investieren dürfen, um die SMR des Bundes zu erzielen.

Jetzt müsste eigentlich nur mehr die ÖBFA die Höhe des durchschnittlich jährlich verfügbar gewesenen Veranlagungskapitals für die Jahre 1998 bis 2008 "herausrücken" , und schon hätten wir Klarheit. Vielleicht will man es - auf beiden Seiten der Diskussionsgegner - aber gar nicht so genau wissen, sondern pflegt lieber weiter seine (ideologisch motivierten) Vorurteile ...(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.7.2009)