Was in der "Krone" nicht geschrieben wird, passiert nicht und erreicht daher auch die eigenen Leser nicht, diagnostiziert Josef Kalina, einst Kommunikationsverantwortlicher der SPÖ.

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Standard: "Krone" -Chef Hans Dichand hat Bundeskanzler Werner Faymann offenbar die Gunst entzogen und wirbt jetzt für die beiden Prölls, Erwin und Josef. Muss sich Faymann jetzt fürchten, die nächste Wahl schon verloren zu haben?

Kalina: In der Politik muss man sich grundsätzlich nie fürchten. Klar ist, dass man in der Politik mit allen Medien umgehen können muss, mit allen Tageszeitungen, mit Radio, Fernsehen und Internet.

Standard: Gerade Sie selbst waren als Bundesgeschäftsführer der SPÖ berüchtigt dafür, nur auf "Krone" und ORF zu setzen.

Kalina: Wenn man für eine Partei wie die SPÖ tätig ist, muss man sich darum kümmern, dass man die Wähler und die potenziellen Wähler auch erreicht. Mir war immer klar, dass die Hauptinformationsquelle für sehr viele Wähler der Sozialdemokratie das Fernsehen und die Krone sind. Das ist eine Tatsache, an der kommt niemand vorbei. Als sozialdemokratischer Kommunikationsverantwortlicher steht man vor dem Problem, dass viele Dinge, die nicht in der Krone geschrieben werden, das Wählerpotenzial der eigenen Partei überhaupt nicht erreichen. Die lesen gar keine andere Zeitung.

Standard: Das hieße aber wiederum, dass Faymann doch Anlass zur Furcht hätte, wenn ihn die "Krone" links liegen lässt und Dichand erklärt, der eine Pröll soll Bundespräsident, der andere Kanzler werden.

Kalina: Die Kronen Zeitung pflegt ihre Unabhängigkeit auch sehr plakativ, indem sie unterschiedliche Persönlichkeiten unterstützt. Die Krone hat schon Politiker aller Parteien unterstützt. Manches Mal hat sie einzelne Personen unterstützt, dann wieder bestimmte Inhalte. Die Krone wahrt da sehr bewusst ihre Unabhängigkeit. Sie setzt darauf, dass sie als eigenständige Kraft wahrgenommen wird. Ich glaube nicht, dass die Krone grundsätzlich etwas tut, was sie in einen großen Widerspruch zu der Mehrheit ihrer Leser bringen würde.

Standard: Ist es logisch nachvollziehbar, warum Dichand Werner Faymann so demonstrativ unterstützt hat und warum jetzt bei ihm die Prölls so hoch im Kurs stehen?

Kalina: Klar ist, dass ein Politikstil, wie ihn Faymann betreibt, gut zur Krone passt, aber eben auch der Stil eines Erwin Pröll. Ein Politiker, der volksverbunden agiert, der manches Mal auch poltert. In Summe geht es um einen Stil, der nicht auf eine Haltungsänderung der Krone-Leser setzt, sondern die Leser und die Wähler dort abholt, wo sie sind. Deshalb glaube ich auch nicht, dass sich Faymann und die SPÖ extreme Sorgen machen müssen. Die Unterstützung der Prölls war ein bewusstes Signal für die Offenheit der Zeitung.

Standard: Kann man gegen die "Kronen Zeitung" überhaupt Wahlen gewinnen?

Kalina: Große handlungsfähige Mehrheiten zu erreichen ist sicherlich schwierig. Aber auch die Grünen können Wahlen gewinnen, im Sinne von zulegen. Es gibt durchaus auch ein anderes Publikum. Es gibt ein Publikum, das sich aus der Opposition zur Krone definiert, auch da ist ein Platz, zugegeben, ein kleiner Platz. Aber wenn man Mehrheiten anstrebt, ist es schwer das gegen die Krone zu tun. Rund 40 Prozent aller Erwachsenen in Österreich lesen täglich die Krone, und darunter sind sehr viele, die keine andere Zeitung lesen.

Standard: Wie sehr wird Politik nach den Ansichten der "Kronen Zeitung" ausgerichtet? Wie sehr denkt ein Politiker die Reaktion der "Krone" mit?

Kalina: Das ist ein Phänomen der Projektion vieler Journalisten, die nicht bei der Kronen Zeitung arbeiten, auf die Kronen Zeitung. Das hat mit der Frage Henne oder Ei zu tun. Ich glaube, es ist so: Politik, die gestaltende Mehrheiten erreichen will, muss ohnehin einen Ansatz pflegen, der breit ist, der die breite Masse emotional erreicht. Dazu braucht man eine breite Medienbasis. Eine mehrheitsfähige Politik muss sowieso bei den praktischen Bedürfnissen und den Emotionen der Menschen ansetzen. Mit rationalen Argumenten allein erreicht man die Leute nicht.

Standard: Da gibt es unterschiedliche Ansätze: Man kann den Leuten nach dem Mund reden, oder man kann versuchen, die breite Masse von seiner Ansicht zu überzeugen.

Kalina: Ich kenne dieses Argument. Es ist überheblich. Es geht nicht darum, den Leuten nach dem Mund zu reden. Die Leute haben an die Politik einfache Bedürfnisse. Da geht es um den Arbeitsplatz, das Einkommen, die Wohnung, die Gesundheit, die Zukunft der Kinder. Also primäre Grundbedürfnisse. Es geht nicht darum, den Leuten nach dem Mund zu reden, sondern die primären Bedürfnisse der Leute zu befriedigen. Die spüren ganz genau, ob man sie ernstnimmt.

Standard: In der SPÖ gibt es auch die Überlegung, ob mehr Distanz zur "Krone" nicht auch etwas Positives hätte. Wenn es etwa gelänge, die Linksintellektuellen und die Künstler wieder zurückzuholen.

Kalina: Wenn's wer glaubt - wunderbar. Aber den Ausschlag für Erfolg gibt die Politik, die man macht. Und ob man es den Leuten vermitteln kann. Dazu braucht man wiederum die Krone. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 27./28. 6 2009)