Wien – Che Guevara, das ist der Mann auf den roten T-Shirts. Sie werden immer noch gern getragen, sie weisen ihre Träger als revolutionäre Geister aus. Wenn sich schon die Verhältnisse nicht so leicht über den Haufen werfen lassen, so kann das Gesicht von Che Guevara doch wenigstens daran erinnern, dass im Kampf gegen Kapitalismus, Imperialismus, Oligarchismus auch Heldengeschichten geschrieben wurden. Che Guevara ist buchstäblich zu einer Ikone der Opposition geworden. Er steht für fast jeden Gegenstandpunkt, seine historischen Verdienste (und die Streitpunkte seines Vermächtnisses) rücken dabei immer weiter in die Ferne. Wer weiß heute noch, worum genau es in der kubanischen Revolution ging?

Der US-Regisseur Steven Soderbergh hat es jetzt unternommen, zu dem Gesicht auf den T-Shirts die Geschichte noch einmal zu erzählen. Er macht aus der Ikone Che Guevara eine lebendige Figur. Der Guerillakämpfer wird zu einem Helden mit Widersprüchen, seinem Aufstieg in Kuba entspricht sein Fall in Bolivien. Die Geschichte ist so umfangreich und langwierig, dass Soderbergh das Risiko eingegangen ist, sie in zwei Filmen zu erzählen: Auf Che – Revolución wird in wenigen Wochen Che – Guerilla folgen. Der Einzug der kubanischen Revolutionäre in Havanna, angeführt von Fidel Castro, steht am Ende des ersten Teils, der Tod von Che Guevara in Bolivien am Ende des zweiten.

Dabei geht es jedoch keineswegs um eine Dramaturgie von Hochmut und Fall, sondern ganz einfach um politische Kräfteverhältnisse: Eine Revolution auf einer karibischen Insel lässt sich nicht so einfach auf ein südamerikanisches Bergland übertragen, ganz zu schweigen von der ganzen Dritten Welt, die Che Guevara insgesamt im Sinn hat. Er kämpfte zwischendurch ja auch noch im Kongo, und Soderbergh erwähnt in Interviews gelegentlich, dass er diese afrikanische Episode gern noch nachtragen würde.

Verschachtelte Erzählung

Vor allem mit seinem weitverzweigten Drogenthriller Traffic hat Soderbergh schon einmal bewiesen, dass er in der Lage ist, komplexes Geschehen nachvollziehbar zu gestalten. In Che – Revolución wählt er ebenfalls eine verschachtelte Erzählform, die sich aber problemlos linear auflöst. Zu Beginn sitzt der argentinische Arzt Che Guevara (Benicio del Toro) mit kubanischen Oppositionellen, darunter Fidel Castro (Demián Bichir), in Mexiko zu Tisch. Wenig später – es ist das Jahr 1956 – sitzen die Männer schon in einem Boot und setzen über auf die Insel, auf der sie von nun an im Schutz der dichten Vegetation eine Kampftruppe aufbauen, die allmählich zu stark wird für die Truppen des von den USA gestützten Diktators Batista.

"Kannst du lesen und schreiben?" Diese Frage stellt Che Guevara immer wieder den Bauern, die sich der Untergrundarmee anschließen wollen. Er ist nicht der Anführer, aber einer der Denker der kubanischen Revolution. Parallel schaltet Soderbergh Szenen von einem Besuch Guevaras in den USA, der ihn zu einem Zeitpunkt seines Lebens zeigt, als er schon Ikone und Politstar war und dabei versucht, mit seiner Präsenz nicht seine Botschaften zu verdecken.

Vermutlich hätte sich aus dieser Montage so etwas wie eine fast klassische politische Biografie ergeben können, ein Film wie Oliver Stones Nixon. Aber Soderbergh bleibt der Figur Guevara gegenüber eigentümlich distanziert. Er unterlässt jeden Versuch der komplexeren Motivierung, stattdessen bleibt Che – Revolución ein Panorama der Äußerlichkeiten, und erst der zweite Teil Guerilla wird mit seinen vielen komplementären, nun aber unter anderen Vorzeichen stehenden Szenen zeigen, dass dieses Filmprojekt tatsächlich eine Wahrheit hinter der Ikone zutage bringen konnte. (Bert Rebhandl, DER STANDARD/Printausgabe, 10.06.2009)