Bogota - In dem von einem jahrzehntelangen bürgerkriegsartigen Konflikt geplagten Kolumbien ist ein Menschenleben schon für umgerechnet 66 Euro zu haben. Diesen Betrag hätten Soldaten einem "Vermittler" für einen jungen Mann gezahlt, den sie anschließend umbrachten und als getöteten Kämpfer der FARC-Guerilla präsentierten, berichtete die Zeitung "El Tiempo" am Freitag unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Die Zeugenaussage des Vermittlers Alexander Carretero, der junge Arbeitslose mit dem Versprechen einer festen Anstellung von zu Hause weglockte, sei in einem Strafverfahren gegen insgesamt sechs Soldaten in der Stadt Soacha in der Nähe der Hauptstadt Bogota verlesen worden.

Der Mann habe den jungen Leuten aus armen Verhältnissen in Soacha vorgegaukelt, sie könnten im Norden des Landes eine Arbeit finden. Dort übergab er sie jedoch dem Militär, das die Ahnungslosen erschoss und anschließend als im Kampf getötete Gegner präsentierte. Die beteiligten Soldaten erhofften sich davon Lob ihrer Vorgesetzten oder auch nur Sonderurlaub. Menschenrechtsorganisationen klagen seit Jahren über solche Fälle, die von der Presse als "falsos positivos" (Fehldiagnosen) bezeichnet werden. Die Behörden reagierten jedoch erst, als im vergangenen Jahr fast 20 junge Leute aus Soacha hunderte Kilometer weiter nördlich als angeblich im Kampf getötete Rebellen präsentiert wurden.

Weit verzweigtes Netz

Das Militär versuchte zunächst, seine Version aufrechtzuerhalten. Allerdings unterliefen den Tätern erhebliche Fehler. So präsentierten sie einen angeblichen toten Rebellen mit einer Pistole in der rechten Hand. Der junge Mann war jedoch Linkshänder. Die Justiz deckte inzwischen ein weit verzweigtes Netz von "Vermittlern" auf, die dem Militär Opfer zuführten.

Schätzungen des oppositionellen Senators Juan Manuel Galan zufolge sind in den vergangenen zehn Jahren 1.500 bis 2.000 Zivilisten als "falsos positivos" umgebracht worden. Der konservative Präsident Alvaro Uribe rief jedoch dazu auf, die Soldaten und Polizisten gegen Rechtsanwälte zu verteidigen, die von ausländischen Nichtregierungs-Organisationen bezahlt würden. Deren Ziel sei es, Kolumbien zu verunglimpfen. (APA)