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Dass der Titel seiner Lektüre auf ihn zutrifft, beteuert Helmut O. auch vor dem Höchstgericht. Er sei unschuldig und habe überhaupt keinen Grund gehabt, den Spitzer Bürgermeister zu vergiften.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien - Helmut O. hat viel zu sagen. Zum Leidwesen seines Verteidigers. Der zuckt zusammen, wenn Herr O. plötzlich Generalanwältin Christine Sperker anfährt oder beim Vortrag des Privatbeteiligtenvertreters dazwischenredet. Und blickt entschuldigend zur Richterbank, wenn sein Mandant ausführlichst schildert, warum er unschuldig ist - und den Spitzer Bürgermeister Hannes Hirtzberger nicht mit einer strychningefüllten Praline vergiftet hat. Obwohl der Vorsitzende schon klargestellt hat, dass das in diesem Verfahren irrelevant ist.

Schon vor dem Beginn der Berufungsverhandlung am Obersten Gerichtshof steht der Gastwirt im zweiten Stock des Justizpalastes in Wien und redet. Gelehnt an die Balustrade versucht er, seine Botschaft unter Journalisten, Fotografen und Kameraleute zu bringen. Er sei unschuldig. Das Strychnin könne nicht in der Praline gewesen sein. Er habe kein Motiv gehabt.

Argumente, die er vor dem Vorsitzenden Eckart Ratz wiederholt. "Wenn ich einen Wunsch frei hätte, wünschte ich, der Hannes würde wieder aufwachen." In brauner Jacke und brauner Schnürlsamthose steht er auf den Tisch vor der Anklagebank gestützt. "Ich kenne ihn seit 35 Jahren, wir sind Du-Freunde" , beschwört der 56-Jährige die Höchstrichter. Langatmig erklärt er, wie man Wein getrunken und zusammengearbeitet habe. "Er hat mir ja auch immer Gäste geschickt, offizielle Gäste der Gemeinde." Überhaupt habe man sich prächtig verstanden. Seinen Plan, zu seinem Heurigenlokal eine Thermenlandschaft zu bauen, habe der Bürgermeister durchaus goutiert. "Ich habe zwei von ihm unterschriebene Schriftstücke."

Was weder O. noch sein Anwalt Nikolaus Rast ansprechen, ist, dass bei der ersten Verhandlung die Söhne den Vater schwer belastet haben. Dass er mehrmals gedroht haben soll, Hirtzberger umzubringen. Oder dass einer der Söhne eine falsche DNA-Probe für den Vater abgegeben hat.

Statt dessen verbeißen sich die beiden in die Frage, ob der Gift-Gutachter im ersten Prozess "geschlafen hat" . Der habe nämlich daheim am Küchentisch und nicht im Labor probiert, wie viel Strychnin man in ein Mon Chéri packen kann. Im Gerichtssaal wollte er den Versuch aber nicht wiederholen. Kein Wunder für O. und Rast: "Der Sachverständige hat selbst gesagt, es könnten maximal 500 Milligramm sein - im Körper des Opfers wurden aber 700 Milligramm gefunden" , führt Rast aus. Folglich müsse das Gift anders verabreicht worden sein.

Nichts davon beeindruckt das Gericht. Auch nicht, dass ein Geschworener bei der Verhandlung geschlafen haben soll. "Wenn eine Glühbirne kaputt ist, reißt man auch nicht ein ganzes Hochhaus ein" , lautete die Argumentation des Vorsitzenden. Überhaupt sei das Urteil der Geschworenen in Ordnung - das Strafmaß allerdings nicht. 20 Jahre seien zu wenig, auch die besondere Heimtücke des Anschlages ein Grund dafür, die Strafe auf lebenslange Haft anzulegen. Einzig die Schadenersatzforderung des Opfers wird von 30.000 auf 10.000 reduziert - es war nie mehr verlangt worden. Die Urteile sind rechtskräftig.

Herr O. nimmt das Urteil ruhig entgegen, er plant ohnehin einen Wiederaufnahmeantrag. Erst danach will er wieder etwas sagen - zu Prozessbesuchern. Die Justizwache begleitet ihn allerdings hinaus. Das Opfer liegt weiter im Wachkoma. Ohne Chance auf Heilung. (Michael Möseneder, DER STANDARD - Printausgabe, 20. März 2009)