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Die Grapefruit als Gesundheitsrisiko: Der in der Frucht enthaltene Bitterstoff Naringenin bringt körpereigene Mechanismen aus dem Lot und verändert die Wirkung von Medikamenten.

Foto: REUTERS/Ronald Wittek/Pool

Kranksein folgt meist einem fixen Schema. Zuerst liegt man elend im Bett, wird es nicht besser, sucht man den Arzt auf. Mit einem Rezept eilt man zur Apotheke, wo der Apotheker dann zum Beispiel "3 x täglich" auf die Packung schreibt. Es ist eine kurze medizinische Anweisung, die Frage, wann die Tabletten eingenommen werden sollen, bleibt meist offen. Morgens, mittags und abends ist als Angabe jedenfalls nicht genug.

"Es macht einen Unterschied, ob Pillen vor, nach oder zum Essen eingenommen werden, sagt Eckhard Beubler, Vorstand des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz, und betont, dass all diejenigen, die sich eine erfolgreiche Wirkung von Medikamenten erwarten, über die Einnahmemodalitäten besser informiert sein sollten.

Patienten genau informieren

Die Arzneimitteleinnahme sei, so Beubler, ein sehr sensibler Punkt der Arzneimittelverordnung. Im Grunde genommen ist es Sache des Arztes, die Patienten genau über die Einnahmemodalitäten oder Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln aufzuklären. Tut er es nicht, sollten Patienten unbedingt nachfragen.

Denn Nahrungsmittel und Medikamente können so wie auch die Kombination von Alkohol und Medikamenten in gefährliche Interaktionen miteinander treten, fand der kanadische Pharmakologe David Bailey 1991 durch einen puren Zufall heraus, als er eine Studie mit Medikamenten zur Blutdrucksenkung durchführte.

Grapefruit-Effekt

Um den bitteren Geschmack der Arznei zu maskieren, vermischte Bailey die Tropfen mit Grapefruit-Saft und musste zu seiner großen Überraschung feststellen, dass diese Patienten plötzlich eine um das dreifach erhöhte Wirkstoffkonzentration des Medikamentes im Blut aufwiesen. Diese Erkenntnis ging als Grapefruit-Effekt in die Annalen der Pharmakologie ein. Die Erklärung lieferte Bailey kurze Zeit später. Naringenin, der Stoff, der Grapefruit so bitter macht, hemmt Zytochrom P450 im menschlichen Körper. Das Enzym ist für den Abbau zahlreicher körpereigener und körperfremder Substanzen zuständig. Das gilt nicht nur für Blutdrucksenker, sondern auch für andere Medikamente.

Plötzlich wirkungslos

Der Grapefruit-Inhaltsstoff Naringenin kann sich aber auch ganz anders verhalten - etwa im Falle des Antiallergikums Fexofenadin, einem Antihistaminikum, das bei Heuschnupfen und anderen allergischen Symptomen angewendet wird. In Kombination mit der Zitrusfrucht verliert dieses Medikamente seine Wirkung.

Auch für dieses Phänomen fand der Pharmakologe Bailey eine Erklärung. Naringenin blockiert in diesem Fall ein Transporteiweiß. Der Wirkstoff des Antiallergikums gelangt deshalb nur noch zur Hälfte ins Blut. "Wer Medikamente einnimmt, sollte deshalb auf Grapefruit generell verzichten", rät Beubler. Der Bitterstoff Naringenin bleibt bis zu drei Tagen im Körper - zeitlich getrenntes Einnehmen von Medikamenten und Grapefruit ist deshalb auch keine Lösung.

Sein kanadischer Kollege forscht einstweilen weiter und hat mittlerweile auch Orangen und Äpfel im Visier - auch sie, so Bailey, könnten die Medikamenteneinnahme beeinflussen, dementsprechende Beweise stehen bis heute allerdings noch aus.

Wenn Mediziner ihre Patienten also immer wieder mahnen, die "Packungsbeilage zu lesen", tun sie damit zwar ihre Pflicht, ignorieren aber, dass viele medizinische Laien bei der Lektüre dieses eng bedruckten Zettels maßlos überfordert sind. Angesichts der dort aufgelisteten Nebenwirkungen fällt die Entscheidung bei dem einen oder anderen dann gleich ganz gegen die Einnahme eines Medikaments aus. Diesem Umstand ist man sich im Gesundheitsbereich sehr wohl bewusst.

Mehr Klarheit

Eine Initiative für mehr Patientensicherheit ist das Salzburger Pilotprojekt "Arzneimittel-Sicherheitsgurt", das von den Apotheken gestartet wurde. Die Idee: Zum einen werden Medikamente, die Patienten einnehmen, auf der E-Card gespeichert - damit haben Apotheker einen Gesamtüberblick - zum anderen gibt es dann eine Datenbank, die Fachinformationen zu Medikamenten enthält, also jene Informationen der Herstellerfirma, die umfassender als jene in der Packungsbeilage sind. Ziel des Projektes: Auf Knopfdruck sollen Wechselwirkungen aufgelistet und den Patienten in den Apotheken kommuniziert werden können.

Der Arzneimittel-Sicherheitsgurt sei ein lohnendes Projekt, konstatiert Beubler, allerdings brächte es ebenfalls keine hundertprozentige Sicherheit. "Die eingesetzten Programme sind nur so schlau, wie die dahinterliegende Fachinformation", ergänzt er polemisch. Bei Generika zum Beispiel liefern die Hersteller zu wenig Informationen beziehungsweise bringen die Fachinformationen nicht auf den neuesten Stand. "Generika bringen Stillstand nicht Fortschritt", sagt Beubler deshalb und kritisiert die mangelnde Investition der Hersteller in "alte" Wirkstoffe hinsichtlich neu gewonnener Erkenntnisse.

Beste Wirkung auf nüchternen Magen

Einfacher hingegen sind die Tipps, die Beubler Patienten hinsichtlich der Tabletteneinnahme generell geben kann: Arzneimittel grundsätzlich auf nüchternen Magen und mit einem Viertelliter Wasser einnehmen. "In 99 Prozent aller Fälle geht dann nichts mehr schief, und die Medikamente tun ihre gewünschte Wirkung." Nur bei dem letzten einen Prozent ist die Einnahme zum Essen verpflichtend. (Regina Philipp, DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2008)