Zwei Wochen nach der Bundestagswahl in Deutschland ist bei den Unionsparteien eine Strategiedebatte entbrannt. CDU-Chefin Angela Merkel sah sich am Wochenende mit massiver innerparteilicher Kritik konfrontiert.

Sie hatte die Forderung nach einem liberaleren Kurs als Konsequenz aus der Wahlniederlage erhoben und dies damit begründet, dass die Union in den Städten und unter der weiblichen Bevölkerung massiv Wähler verloren habe. Die CDU müsse in ihrer Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie im Umwelt- und Verbraucherschutz glaubwürdiger werden, verlangte Merkel. Familie sei dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern sorgten.

Der Brandenburger CDU-Chef Jörg Schönbohm warnte Merkel eindringlich vor einer Kurskorrektur: "Wenn die CDU linksliberale Themen besetzt, werden sich konservative Wähler andere Vertreter suchen." Die CDU dürfe "das konservative Tafelsilber nicht verscheuern", so das Präsidiumsmitglied. Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel meinte: Die CDU könne nicht nach der Methode "wie hättet ihr denn gerne, dass die Union ist?" vorgehen. Der rheinland-pfälzische CDU-Chef Christoph Böhr sagte, die CDU müsse für eine Politik werben, "die nicht alles der Beliebigkeit anheimstellt".

Die schärfste Kritik kam von CSU-Generalsekretär Thomas Goppel: Wer "um des lieben Friedens oder der Anerkennung willen Anbiederung" versuche, mache sich unglaubwürdig, sagte er der Welt am Sonntag. Ehe und Familie seien laut Grundgesetz unter besonderen Schutz zu stellen. Andere Lebensgemeinschaften seien nicht gleichgestellt, fügte Goppel hinzu. Unterstützung bekam Merkel jedoch von der 28-jährigen Familienpolitikerin Katherina Reiche. Merkel habe "richtige Anstöße" gegeben. Die Partei müsse sich dem Lebensgefühl junger Frauen "weiter öffnen".

Schwarz-Grün-Vorstoß

Auch die Debatte um den Umgang mit den Grünen dauert an. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, CDU-Vizeparteichef Jürgen Rüttgers und der Chef der CDU-Arbeitnehmer, Hermann-Josef Arentz, forderten, auch die Grünen als Koalitionspartner in Betracht zu ziehen.(DER STANDARD, Printausgabe, 7.10.2002)