Ex-Kommissionspräsident

Juncker: "Nach der Krise werden wir bessere Europäer sein"

Der frühere Präsident der EU-Kommission hält einen massiven Ausbau des EU-Haushalts und rasche Hilfe für Problemstaaten für ein Gebot der Stunde

Kein europäischer Politiker hat in den vergangenen 33 Jahren mehr Krisen erlebt als Jean-Claude Juncker. Im Interview mit dem STANDARD analysiert der 64-Jährige im Arbeitszimmer seines Hauses in Luxemburg die Lage in der Corona-Krise und die möglichen Folgen für die Europäische Union. Die gegenwärtige Krise unterscheide sich von allen anderen Krisen in Qualität und Dimension: "Es geht um Leben und Tod." Kein Land könne die Krise allein bewältigen, sagt Juncker. Weil die technische Umsetzung von EU-Anleihen in Form von Corona-Bonds, wie Italien sie fordere, zu lange dauere, Kreditmilliarden für Staaten in Not nicht rasch genug mobilisiert werden können, spricht er sich dagegen aus, sich jetzt auf dieses Instrument zu konzentrieren. Hingegen sei es sinnvoll, vor allem den Eurorettungsfonds ESM zu nutzen. "Das ist der richtige Weg", sagt er, "es ist Dringlichkeit geboten." Zusätzlich brauche es "eine massive Aufstockung des EU-Budgetrahmens", den seine Kommission vorgeschlagen hat. Dieser Haushalt reiche nicht mehr aus. Die Kommission müsse von den Staaten ermächtigt werden, Solidarausgaben zur Bewältigung der Corona-Schäden über die Finanzmärkte zu hebeln. Wie beim Investmentfonds von 2014, dem Juncker-Fonds, sollten hunderte Milliarden mobilisierbar werden. Der Ex-Präsident ist optimistisch, dass man die Krise bewältigen wird: "Danach werden wir bessere Europäer sein."