Asien & Pazifik
Massenflucht aus australischem Internierungslager
Asylsuchende in sicheren Verstecken - Premier Howard verteidigt seine Politik
Canberra/Sydney - Die bei einem Massenausbruch aus
dem australischen Internierungslager Woomera geflüchteten
Asylsuchenden befinden sich mit großer Gewissheit in sicheren
Verstecken großer Städte. Das sagte am Samstag eine
Menschenrechtsaktivistin im australischen Rundfunk ABC, die am Vortag
bei der Flucht von 35 Häftlingen aus dem entlegenen Wüstenlager, 500
Kilometer nördlich von Adelaide, geholfen hatte. Wie die
Fluchthelferin unter Wahrung ihrer Anonymität im Rundfunk mitteilte,
wurden die Flüchtlinge nach dem Niederreißen eines Zauns im Schutze
der Dunkelheit mit mehreren Fahrzeugen weggefahren, noch bevor die
Lagerleitung Alarm gab.Neun Flüchtlinge festgenommen
Nach Angaben der Polizei vom Samstag wurden bisher neun
Flüchtlinge wieder festgenommen, somit seien noch 26 auf der Flucht.
Vier Personen seien angeklagt worden, den Ausbruch organisiert oder
geflohene Lagerinsassen untergebracht zu haben. Allen Geflohenen
drohte die Abschiebung, nachdem die Regierung zu dem Schluss gekommen
war, dass sie keine "echten Flüchtlinge" seien. Eine Gruppe von 25
Gegnern der harten Einwanderungspolitik Australiens hatte sich dazu
bekannt, bei dem Ausbruch geholfen zu haben. Wer ungesetzlich in das
Land einreist und Asyl beantragt, kommt während eines langen
Asylverfahrens zunächst in eines der sechs Internierungslager.
Zugenähte Lippen
Premierminister John Howard hatte erklärt, die Massenflucht
bestärke die australische Regierung in ihrer Haltung. Ein Viertel der
rund 1250 internierten Asylbewerber in Australien kommen aus
Afghanistan. Den Afghanen waren vor kurzem die kostenlose Rückreise
in ihre Heimat sowie eine Einmalzahlung von rund 1000 Euro pro Person
angeboten worden, falls sie ihre Anträge zurückzögen. Nur wenige
haben dieses Angebot angenommen. Am Donnerstag hatten sich nach
Medienberichten etwa 50 Asylanten in Woomera aus Protest gegen die
Ablehnung ihrer Anträge die Lippen zugenäht.
Die meisten Flüchtlinge in dem Internierungslager stammen aus
Afghanistan, dem Irak, dem Iran oder Sri Lanka.
UNO-Flüchtlingshochkommissarin Mary Robinson hatte mehrmals ihre
tiefe Besorgnis über die Behandlung der Asylsuchenden in
australischen Flüchtlingslagern ausgedrückt. Das UNO-Hochkommissariat
für Flüchtlinge (UNHCR) hat gegen die Inhaftierung von Asylbewerbern
durch die australischen Behörden protestiert.
Kritik von der Kirche
Auch die katholische Kirche Australiens hat die Zustände in den
Internierungslagern scharf kritisiert. Die Zustände dort seien
menschenunwürdig, heißt es in einem 64-seitigen kirchlichen Bericht.
Seit 1994 hält die australische Regierung Flüchtlinge vor allem aus
dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Afghanistan in Wüstenlagern
fest. In dem kirchlichen Bericht wird, wie Radio Vatikan meldete,
darauf verwiesen, dass immer wieder inhaftierte Flüchtlinge aus
lauter Verzweiflung Selbstmordversuche begehen. Auch Kinder und
Jugendliche würden festgehalten. Die Regierung in Canberra müsse
endlich handeln, fordert die Kirche.
Die australische Regierung hatte vor den Wahlen im November des
Vorjahres behauptet, Flüchtlinge hätten ihre Kinder ins Meer
geworfen, um die Marine unter Druck zu setzen und die Einreise zu
erzwingen. Entsprechende Fotos von im Meer treibenden Kindern sollten
die Aussage untermauern. Nach einem Untersuchungsbericht waren die
Fotos jedoch gefälscht.
Australischer Ministerpräsident verteidigte Flüchtlingspolitik
Vor seinem Deutschlandbesuch hat der
australische Ministerpräsident John Howard seine umstrittene
Flüchtlingspolitik verteidigt. Er lehne den Begriff "Festung
Australien" ab, sagte Howard der "Welt am Sonntag". Während das
australische Volk das Einwanderungsprogramm der Regierung
unterstütze, unterminiere die illegale Einwanderung das System,
weswegen die Regierung für den Schutz der Grenzen eintreten müsse.
Diese Politik zeige Erfolg: "Seit mehr als einem halben Jahr sind
keine Boote mehr angekommen", erklärte Howard.
Langfristig seien für eine Lösung regionale und internationale
Zusammenarbeit nötig, erklärte der australische Regierungschef. Es
gebe "eine Menge falscher Geschichten über unsere
Flüchtlingspolitik". So etwa, dass Australien nicht einen
angemessenen Anteil an Flüchtlingen aufnehme. "Dagegen haben wir
gerade angekündigt, dass wir dieses Jahr 100.000 bis 110.000
Einwanderer aufnehmen, 12.000 mehr als im Jahr zuvor", sagte Howard.
Die australische Flüchtlingspolitik wird immer wieder als zu
rigide kritisiert. In die Schlagzeilen geraten war sie im vergangenen
August, nachdem die australische Marine den norwegischen Frachter
"Tampa" geentert hatte, der 433 Flüchtlinge aus Seenot gerettet
hatte. Die Soldaten hatten deren Landung in Australien verhindert.
Zudem kommt es seit Monaten immer wieder zu Protestaktionen im
Flüchtlingslager Woomera, mit denen die Insassen auf die
Haftbedingungen und die schleppende Bearbeitung ihrer Asylanträge
aufmerksam machen wollen. (APA)