Moskau - Mit seinem Beschluss über die Freigabe des Handels mit Agrarland hat das russische Abgeordnetenhaus, die Duma, ein 85-jähriges gesellschaftspolitisches Tabu beseitigt. Seit der Machtübernahme der Kommunisten 1917 war der Handel mit landwirtschaftlichem Boden verboten - aus ideologischen Gründen, weil Großgrundbesitzer, aber auch die Bauern als Klassenfeind des Proletariats galten. Seit dem Ende der KP-Herrschaft 1991 wurde er allerdings geduldet.

Das Gesetz sieht vor, dass russische Staatsbürger Land kaufen und verkaufen können; dagegen soll Ausländern lediglich die Pacht erlaubt werden. Die Abgeordneten der Duma stimmten am Mittwoch mit 258 gegen 149 Stimmen bei fünf Enthaltungen für die Gesetzesvorlage. Die Gegenstimmen kamen zum überwiegenden Teil von den Kommunisten. Das Gesetz muss nun vom Föderationsrat, der Vertretung der Republiken und Territorien, gebilligt werden. Es tritt fünf Monate nach seiner offiziellen Verlautbarung in Kraft.

Präsident Wladimir Putin sieht in dem Gesetz die Chance, Investitionen für große, leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe anzuziehen. Allerdings gestattet das Gesetz, den Besitz zu begrenzen, wenn er sich in einer Hand befindet und zehn Prozent des gesamten Agrarlandes eines Landkreises überschreitet. Sollte ein Besitzer Schaden an der Umwelt verursachen, kann ihm das Land gerichtlich entzogen werden. Agrarland darf nur für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden.

Russlands landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst 406 Millionen Hektar, etwa ein Viertel des Staatsgebiets. Anfang 2001 gehörten noch 61 Prozent davon dem Staat oder lokalen Körperschaften, 29,3 Prozent Einzelpersonen und 1,6 privaten Gesellschaften. (Reuters, red/Der STANDARD, Printausgabe, 28.6.2002)