Berlin - Die FDP rückt langsam von ihrem Wunschziel ab, bei
der deutschen Bundestagswahl im Herbst mindestens 18 Prozent der
Stimmen zu erreichen. "18 ist eine symbolische Zahl", sagte der
Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Deutschen Bundestag, Wolfgang
Gerhardt, am Mittwoch vor ausländischen Journalisten. Er selbst habe
nach oben keine Grenzen gesetzt, es könne aber "gut zweistellig
werden".
"Die Diskussion, die von Herrn Möllemann begonnen wurde, habe ich
für schädlich empfunden", sagte Gerhardt. Dies könne einen
substanziellen Verlust für die Partei bedeuten, "dass wir Wähler von
rechts erhalten, aber nicht halten können - das wäre reiner
Treibsand".
Da die Antisemitismus-Diskussion Gefahren herbeiführe, habe er auf
Klarstellung gedrängt, so Gerhardt. "Das ist uns eindeutig gelungen.
Die FDP wird keinen Erfolg haben, wenn sie ihr Zentrum nach rechts
verschiebt. Weder der Weg in den Niederlanden, noch Haider in
Österreich noch Le Pen in Frankreich" wären für die Liberalen von
politischem Gewinn. Wenn die Partei ihr Spektrum verändere, würde sie
substanziell verlieren.
Gleichzeitig wollte Gerhardt keinerlei Koalitionsaussagen machen
oder sich auf Ressorts in einer möglichen Koalition festlegen.
Lediglich das Außenamt reklamierte er indirekt für die FDP: "Ich
würde meiner Partei empfehlen, auf die internationale Kompetenz nicht
zu verzichten. Das ist das Markenzeichen der FDP."
In der gegenwärtigen deutschen Außenpolitik kritisierte der
liberale Fraktionschef, dass innerhalb der EU die deutsche
Zusammenarbeit mit den kleinen Staaten "völlig verloren gegangen"
sei, auch wäre der "deutsch-französische Motor verlustig gegangen".
Dies würde unter einem liberalen Außenminister wieder anders werden,
versprach Gerhardt.
Besonderes Gewicht legte er auf die "unverzichtbaren
transatlantischen Beziehungen", in denen es "derzeit eine Summe von
Irritationen" gebe. Doch gebe es keine Alternative zum Verhältnis zu
den USA, "für uns ein Grundbaustein der Bundesrepublik Deutschland".
Vor einer großen Koalition warnte der FDP-Fraktionschef: "Das wäre
eine Schlaftablette für Deutschland." Große Parteien würden "Lotsen"
benötigen, diese Funktion wolle seine Partei wahrnehmen. Aber: "Ich
mache mir selbst nichts vor, dass es mit beiden Parteien schwierig
wird, eine Arbeitsmarktreform zu entwickeln." Die FDP sei jedenfalls
zu fast jeder Frage die klarste Partei. Demgegenüber hätten die
Grünen keine Botschaft mehr.
Er glaube, dass die Unionsparteien bei der Wahl am besten
abschneiden würden. Zum so genannten Kompetenzteam von
Kanzlerkandidat Edmund Stoiber sagte Gerhardt, die Union werde nicht
die absolute Mehrheit erringen, also werde Stoiber nicht alle aus
seinem "Schattenkabinett" als Minister nominieren können. (APA)