Es vergeht vermutlich kaum ein Tag, an dem sich der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht darüber ärgert, einmal den Mund zu voll genommen zu haben: Wenn er es nicht schaffe, die Arbeitslosenzahl unter 3,5 Millionen zu drücken, habe er es nicht verdient, wiedergewählt zu werden, tönte der Sozialdemokrat kurz nach der Amtsübernahme. Die Regierung werde sich daran messen lassen, was sie im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit erreicht habe. Vier Jahre danach fällt die Bilanz mager aus. Zwar wurde die Zahl der Arbeitslosen um 500.000 reduziert, aber die Vier-Millionen-Marke wird immer wieder übertroffen. Auch wenn Schröder bei Wahlkampfauftritten die Schuld auf die lahme US-Konjunktur und die Attentate vom 11. September schiebt, so hat er doch längst erkannt, dass die Misere auf dem Arbeitsmarkt großteils hausgemacht ist. Es gibt strukturelle Probleme wie eine aufgeblähte Verwaltung und mangelnde Flexibilität von Jobsuchenden. Genau hier setzt die vom VW-Manager Peter Hartz geleitete Kommission an. Es sind zum Teil radikale Pläne wie jener Vorschlag, der Staat solle wie eine Zeitarbeitsfirma Arbeitslose verleihen. Gegen die Forderung, das Arbeitslosengeld im ersten Halbjahr nur als einheitliche Pauschale auszuzahlen, laufen die Gewerkschaften bereits Sturm. Dass sich Schröder nun hinter die Vorschläge der Kommission gestellt hat und sogar die Gewerkschaften überzeugen will, ist ein politisches Signal. Er will all jene Wechselwähler (wieder) für die SPD gewinnen, die sich von Rot-Grün mehr erwartet haben. Da auch Schröders Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) die Pläne begrüßt, stehen die Chancen gut, dass unabhängig vom Wahlergebnis im September die notwendige Arbeitsmarktreform angepackt wird. (DER STANDARD, Printausgabe 26.6.2002)