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"Es gibt keinen Kurswechsel in der österreichischen Erweiterungspolitik." Dies stellte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) im Gespräch mit dem STANDARD am Rande des EU-Gipfels in Sevilla klar. "Wir sind für die positive Erledigung zum geplanten Termin 2004". FPÖ-Wahlkampf Anlass dafür sind öffentliche Spekulationen, wonach sich die österreichische Bundesregierung während des kommenden Nationalratswahlkampfes gegen die für 2004 geplante EU-Erweiterung positionieren könnte. Das betrifft vor allem die FPÖ, die bereits einen Anti-Erweiterungs-Wahlkampf angekündigt hat. Die schwarz-blaue Koalition muss spätestens im Frühjahr 2003 - also vor dem geplanten Wahltermin im Herbst kommenden Jahres - im Ministerrat grünes Licht für die Erweiterung geben. Die Außenministerin unmissverständlich: "Wir wollen, dass die Erweiterung termingrecht über die Bühne geht. Jedes Land muss aber individuell behandelt werden, und die Ergebnisse der Fortschrittsberichte müssen in der Beurteilung, welche Länder beitrittsfit sind, einfließen." Kein unüberwindbares Hindernis sieht Ferrero-Waldner in der strittigen Frage der Direktzahlungen für die Landwirtschaft. Dieses Thema löste beim Gipfel in Sevilla Gerüchte über eine Verschiebung des für Oktober geplanten EU-Gipfels in Brüssel auf November aus, um der neuen deutschen Regierung (Bundestagswahl am 22. September) Gelegenheit zur sachgerechten Lösung der Frage zu geben. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in Sevilla neuerlich erklärt, dass das derzeitig teure Agrarfinanzierungssystem nicht weitergeführt werden könne. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die sich beim Allgemeinen Rat in Luxemburg Anfang Juni für die Direktzahlungen ausgesprochen hat, bekräftigte Österreichs Linie. "Die Direktzahlungen sind Teil des Rechtsbestands der Union." Sie widersprach heftig den Behauptungen von Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ), der gemeint hatte, die Linie sei mit der FPÖ nicht akkordiert. "Das war sehr wohl abgesprochen. Wir sind zweimal die Eckpunkte durchgegangen", sagte die Ministerin. Zufrieden ist sie damit, dass es nun doch nicht zu einer Zweiteilung des Allgemeinen Rats kommt, in dem die EU-Außenminister vertreten sind. Die Runde tagt allerdings in zwei "Formationen". Es gibt jedoch keine eigenen Europaminister. In Österreich hat somit die Außenministerin weiter das Sagen. "Die Europaminister sind vom Tisch. Die Oberhoheit über die Europapolitik bleibt bei den Außenministern", gibt sich die Ministerin erleichtert. Noch nicht auseinander gesetzt hat sich die Ressortchefin mit einem Problem, das im Frühjahr 2003 auf sie zukommt, wenn sie mangels Einstimmigkeit im Ministerrat keine Vollmacht zur Unterzeichnung des Erweiterungsvertrags bekommt. Das könnte das Ende der Koalition bedeuten. Unterschrift strittig "Damit habe ich mich noch nicht befasst", erklärt die Ministerin. Offenkundig auch noch nicht mit Überlegungen, dass sie allenfalls ohne Vollmacht unterschreiben könnte, um die Erweiterung - das größte diplomatische Projekt seit 1945 - nicht an Wien scheitern zu lassen. Eine so gegebene Unterschrift wäre trotz des Formfehlers nach außen hin rechtswirksam. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2002)