Wien - Dem Rückzug der Meinl-Gruppe im Lebensmittelhandel folgt nun eine rasche Expansion im Finanzbereich. Die vor einem Jahr gegründete Meinl Capital Advisers - eine Tochter der Meinl Bank - wurde von der serbischen Regierung mit der Privatisierung wichtiger Teile der Lebensmittelindustrie und großer Nahrungsmittelunternehmen beauftragt. "Wir können hier unser Know-how im Lebensmittelbereich einbringen", sagte Peter Gumpel, Vorstandsvorsitzender der Mainl Capital Advisers, im Gespräch mit dem Standard.Bindeglied "Wir sehen uns als Bindeglied zwischen den angloamerikanischen Finanzmärkten und dem Osten", beschreibt Gumpel die Strategie seines Unternehmens. Meinl wird für die serbische Regierung nach der Bewertung der Unternehmen, die zusammen 15.000 Mitarbeiter beschäftigen, ein Tenderverfahren einleiten. Einige Unternehmen könnten gleich verkauft werden, andere müssten zuerst saniert werden, meint Gumpel. Besonders die Textilindustrie des Landes war früher ein Aushängeschild und noch in den 80er-Jahren unter den führenden Produzenten der Welt. "Wir rechnen mit einem raschen Wiederaufleben der Textilindustrie, denn die Rahmenbedingungen sind exzellent: Während etwa in China ein Textilarbeiter im Schnitt 170 Euro bis 300 Euro pro Monat kostet, sind es in Serbien derzeit nur 60 Euro", so Gumpel. Billiger als China Dazu komme, dass Serbien - verglichen mit anderen Billigproduzentenländern - nahe am Kernmarkt EU liege und von diesen Zollfreiabkommen profitieren werde. "Man findet in Serbien derzeit Bedingungen vor wie in China vor 20 Jahren." Interesse an ÖIAG-Unternehmen Neben den Projekten im Osten - Meinl betreibt neben der Privatisierung in Serbien auch noch Projekte in Bulgarien, Kroatien, der Slowakei - will das Institut aber auch in Österreich im Privatisierungsbereich stärker mitmischen. "Wir bauen die Arbeit in Österreich gezielt auf." Gumpel, der vor einem Jahr mit einem ganzen Team von Raiffeisen Invest zu Meinl wechselte, holte nun auch den Finanzvorstand Gerhard Schuhmacher zu sich an Bord. "Die weitere Privatisierung der Telekom Austria ist beispielsweise sicher ein Thema für die Meinl Bank, Österreich wird ein Schwerpunkt für uns. Besonders interessant sind Übernahmen und Zusammenschlüsse im Mittelstandsbereich, die auch gleich Vorstufen zu etwaigen Börsegängen sein können." In diesem Venture-Capital-Bereich gebe es ebenfalls "Bestrebungen", deutlich zu wachsen. Dies sei durchaus auch ein Weg, neues Leben an die Wiener Börse zu bringen. Prinzipiell sei Wien ein reifer Markt, vergleichbar mit Deutschland. (Michael Moravec, DER STANDARD, Printausgabe 22.6.2002)