Ein einziges E-Mail hat letztlich das Schicksal der traditionsreichen US-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen besiegelt. Darin schlug Unternehmensanwältin Nancy Temple vor, eine entworfene Aktennotiz zum Fall Enron zu verändern, um strafrechtliche Folgen zu vermeiden. Die Geschworenen im Prozess gegen Andersen sahen darin einen Akt der Justizbehinderung, nachdem sie die härteren Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wegen unerlaubter Aktenvernichtung nicht gekauft hatten.Todesurteil Die vor einer Woche verhängte Strafe von 500.000 Dollar ist gering. Doch der Entzug der Lizenz zur Wirtschaftsprüfung börsennotierter Unternehmen bedeutet für Andersen, das seit Jahresanfang den Großteil seiner Kunden bereits verloren hat, das Todesurteil, selbst wenn es in der Berufung Erfolg hat. Die 89 Jahre alte Firma ist weniger an ihrer fahrlässigen Aufsicht von Enron gescheitert als am Zorn der US-Justizbehörden über ihre arrogante Reaktion auf frühere Finanzskandale. Unter dem ehemaligen Notenbankchef Paul Volcker wurde eine radikale Reform ausgearbeitet, bei der Andersen auf alle Beratungstätigkeiten für geprüfte Unternehmen verzichtet hätte. Stattdessen betrieb die Justiz die Zerschlagung der Firma, deren Mitarbeiter und Kunden sich nun auf die vier überlebenden Prüfungsgesellschaften (KPMG, Deloitte & Touche, PriceWaterhouse Coopers, Ernest & Young) aufteilen. (Eric Frey, DER STANDARD, Printausgabe 21.6.2002)