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Foto: APA/Elisabeth Kopf
Wien - Männliche Körperlichkeit prangt auf dem Cover seiner letzten CD-Arbeit Bassooka , den durch die Spielhaltung angedeuteten Kontrabass in der Ausführung der Imagination des Rezipienten überlassend. Es wäre nicht Peter Herbert, ließe sich diese gürtelaufwärts demonstrierte Hüllenlosigkeit nicht als Programm lesen: Ins Innere des instrumentalen Seins geht die Reise und, darüber hinaus, tief in den klanglichen Mikrokosmos des eigenen Körpers, dessen Pulsschlag per Tonabnehmer hörbar gemacht wird. Nackt, auf sich selbst und seinen verlängerten Kontrabass-Klangarm reduziert, erlauscht Peter Herbert die elementare Bedeutsamkeit jeder Geräuschnuance, jeder der unendlich differenzierbaren Farben und Oberton-Valeurs. Es ist ein Forschen nach der eigenen Klangmitte. Deren Resultate sich umso nachdrücklicher nach außen stülpen lassen, vielfältigste Formen annehmen können. Peter Herbert, Österreichs Jazzmusiker des Jahres, gab sich im Rahmen der dreitägigen Porgy-&-Bess-Personale nur in anatomischer Hinsicht bedeckt. Der initiale Solo-Set, in dessen Filmrequiem der in New York wohnhafte Vorarlberger mittels Tonbandzuspielung bis zu 16 Bassstimmen zu Klangbildern von sinnlicher Plastizität und zuweilen orchestraler Fülle übereinander legte, diente nur als Ausgangspunkt für die ausgezeichnet programmierte Reise durch den Kopf dieses Stilkosmopoliten.

Ein frei improvisiertes, sich ausschließlich diesseits tonaler Bande bewegendes Set ließ ihn im Verein mit Klaus Gesing (Saxophon, Bassklarinette) und Uli Rennert (Piano) eine fließende, in ihrer ideenreichen Klarheit beeindruckende Bildersequenz von gleichsam kompositorischer Stringenz erschaffen. Und darob selbst das diesmal nicht wirklich inspirierte, eher vom Austausch nobel verhaltener Nettigkeiten denn von zündenden Argumenten geprägte Zwiegespräch mit Slide-Gitarren-Dekonstrukteur David Tronzo verblassen.

Während der Straight-ahead-Jazzer Peter Herbert sich im Trio mit Alex Deutsch, Weggefährte aus alten Tagen im Trio Wolfgang Muthspiels, und dem mit allerlei harmonischen Finessen aufwartenden Pianisten Aydin Esen firm zeigte, überzeugte der Komponist vor allem im Zyklus Fifteen Coins nach Gedichten von Jorge Luis Borges. Klug wurden hier ökonomische Streicher- und Percussionklänge auf prägnante Riffstrukturen reduziert, über denen Alexandra Montanos glockenklarer Mezzosopran himmelwärts strebte.

Vielfalt in der Einheit, so lautet die Devise. Das eigene Zentrum zu erforschen und doch gleichzeitig in die weite Welt hinauszuhören: Peter Herberts musikalische Philosophie steht modellartig für eine Lösung des gerade im Jazz virulenten Problems, sich dem immer weiter ausdifferenzierten System historischer Stilschubladen zu entziehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.6.2002)