Irgendwann wird Guus Hiddink (55) auch noch Korea vereint, also den Norden zum Süden geholt haben. Vielleicht schon am Samstag nach dem Viertelfinale der Fußball-WM gegen Spanien. Dann, Sieg und Lust vorausgesetzt, könnte der Teamchef rein theoretisch auch Präsident werden, Amtsinhaber Kim Dae-Jung würde freiwillig aufhören. Das südkoreanische Justizministerium will dem Niederländer Hiddink stündlich die Staatsbürgerschaft aufzwingen. Normal ist dafür ein fünfjähriger Aufenthalt und das Beherrschen der Landessprache nötig.Transpiration als Kommunikationsmittel Hiddink ist seit 17 Monaten da, spricht Niederländisch perfekt, Deutsch, Englisch und Französisch nicht übel. Von Koreanisch keine Spur. "Wir kommunizieren über Transpiration. Die Spieler sehen mich schwitzen und sind bereit, das Gleiche zu tun", sagt er. Ein Held, ein Gott, ein Messias (© südkoreanisches TV), einer, dem die Manager der größten Wirtschaftsunternehmen nickend zuhören, einer, der in fast jedem südkoreanischen Haushalt als kleine Puppe aus Plastik steht (klein deshalb, weil die Wohnungen nicht groß sind), setzt Regeln außer Kraft. "Bevor ich gekommen bin, waren sie nirgendwo." Als Fußballer hat es Hiddink nicht so weit gebracht, er war ein mittelmäßiger Außenverteidiger, seine Karriere begann in Varssefeld, weil er dort geboren wurde. Ende der 60er kam er als Profi zu De Grafschaap, wie ein Bumerang kehrte er wieder, die großen Klubs waren an anderen interessiert. Hiddink ist ausgebildeter Sportlehrer, Attribute wie Besessenheit und Fachwissen werden ihm zugeordnet. Zudem besitzt er die Gabe, Menschen (Fußballer) führen zu können, verwöhnte Stars inklusive. Seine Stationen: Eindhoven, Fenerbahce, Valencia, Real Madrid, zuletzt Bondscoach der Niederlande. Das Angebot aus Südkorea habe ihn "gereizt." Die Jahresgage von drei Millionen Euro war kein Gegenargument. Rotzpippen Was Hiddink in Seoul vorgefunden hat: "Eine Mannschaft, die schüchtern auf dem Platz stand." Er musste also Änderungen vornehmen, um zu schaffen, was nun ist. "Eine Mannschaft, die das Spiel dominiert." Das war freilich sehr kompliziert, es galt, die Charaktere völlig zu verändern. "Holländische Fußballer sagen: Ja, aber. Koreanische sehen sich als Soldaten, die immer nur gehorchen. Sie hatten Angst davor, Fehler zu machen und ihr Gesicht zu verlieren." Hiddink erzog sie quasi zu Rotzpippen, "damit sie lernen, mit Druck umzugehen". Natürlich nennen sie ihn respektvoll "General." Ab und zu sagt einer: "General, aber". Und Hiddink strahlt. Was nach der WM ist, sagt der "General, aber" (noch) nicht. Die koreanische Fluglinie KAL hat ihn mit Gratistickets für vier Jahre versorgt, damit er bleibt. Aber Flugzeuge fliegen auch weg. (DER STANDARD, Printausgabe, Christian Hackl, Donnerstag 20 Juni 2002)