Toronto/Ashkelon/Wien - Der österreichische Mediziner Josef Penninger bringt die Genforschung neuerlich um ein gutes Stück weiter - diesmal bei einem für Gesundheit(ssysteme) zentralen Organ, dem Herzen. Der Forscher, der in Wien das Institut für molekulare Biotechnologie der Akademie aufbaut, schuf das erste Tiermodell für Verengungen von Kranzarterien (Koronarstenosen) und Herzinsuffizienz (Herzschwäche). Und belegt als Erster, dass das Gen ACE2 ein Regulator für die Blutpumpe ist.ACE steht für ein länger bekanntes Gen und bedeutet Angiotensin-converting Enzyme. Angiotensin regelt im Gleichgewicht mit seinem Gegenspieler, einem anderen Eiweiß namens Renin, den Blutdruck. Die wichtigsten Präparate gegen Hochdruck setzen hier an und unterdrücken ("inhibieren") gegebenenfalls Angiotensin. Aber nicht allen Bluthochdruck-Patienten helfen sie. "Da die bekannten ACE-Inhibitoren keinen Effekt auf ACE2 haben, war die Idee, dass Inhibition von ACE2 all jenen mit Bluthochdruck helfen könnte, bei denen die ACE-Blocker nicht wirken", erläutert Penninger. Wenn man das Gen für die Angiotensin-Ausschüttung abschalten könnte, hätte man Bluthochdruck im Griff, dachte man also. Ein Ansatz, den das Time-Magazine im Vorjahr unter dem Titel "The Future of Drugs - Brave New Pharmacy" hochlobte. Ein Megaseller für die Medikamentenbastler kündigte sich an, denn Herz-Kreislauf-Krankheiten werden, so die Prognosen, bis zum Jahr 2020 die häufigste Todesursache sein. In Österreich sterben schon heute fast 77.000 Personen jährlich an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Negativer Regulator "Deswegen hamma a bissel was weitertan", sagt Penninger in der ihm eigenen Mischung aus freudiger und doch schüchterner Erregung. Und meint die Suche nach der Ergänzung für ACE-Blocker. Doch nun ist - mit den Erkenntnissen seines Forschungsteams (Nature Vol. 417, S.822) - alles ganz anders. Und das kam so: Die Genetiker fanden an drei Stämmen von Bluthochdruck-Ratten, dass das ACE2-gesteuerte Enzym auffällig wenig umgesetzt wird. Ärger noch: "Wir konnten an ACE2 überhaupt nix finden, was mit Bluthochdruck zu tun hat", seufzt Penninger. Bei genveränderten Mäusen machten der Oberösterreicher und seine Kollegen an den Unis in Toronto, Kanada, und Ashkelon, Israel, dann aber eine noch erstaunlichere Beobachtung: "Wenn wir ACE2 abschalten, kriegt jede unserer Mäuse - vollkommen überraschend - Herzinsuffizienz." Diese Herzschwäche wirkt sich in verringerter Pumpleistung und Sauerstoffversorgung des Herzens aus. Ärzte verschreiben schon seit vielen Jahren ACE-Blocker für Leute mit Herzinsuffizienz. "Aber keiner hat gewusst, warum das geht. Wir haben hier das erste Mausmodell für Koronarstenose und Herzinsuffizienz mit ähnlichen Veränderungen, wie wir sie an Menschen mit koronarer Herzkrankheit und nach Bypass beobachten", freut sich Penninger im Gespräch mit dem STANDARD. ACE2 sieht damit nach einem "negativen Regulator" des Systems aus. Für die Medikamentenentwicklung bietet sich ACE2 also nicht wie erwartet an: "Statt Inhibitoren müsste man Aktivatoren finden", resümiert Penninger. Glück des Forschers Der Oberösterreicher hat Glück. Denn eine seiner Erkenntnisse hat den für Genforscher seltenen Sprung in die klinische Anwendung geschafft. Das Gen mit Namen OPG-Ligant steuert nach Erkenntnissen von Penningers Team den Knochenabbau, spielt aber auch bei rheumatoider Arthritis und Zahnausfall eine Rolle. Und nun steht ein daran ansetzendes Pharmapräparat in einer Phase-II-Studie. Und damit knapp vor der Zulassung. (Roland Schönbauer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 6. 2002)