"Jetzt geht's los", skandierten die 1001 Delegierten. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber gab mit erhobenem Daumen den Rhythmus vor und schaute ein paar Mal verstohlen auf die Uhr. Die Latte, die die Delegierten des SPD-Parteitags mit ihrem zehnminütigem Applaus für Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zwei Wochen gelegt hatten, galt es zu überspringen - was dann auch um zwei Minuten übertroffen wurde.Stoiber hatte vor allem mit scharfen Attacken gegen die rot-grüne Regierung die Stimmung in der ohnehin schon heißen Messehalle angeheizt. "Abwählen, nach Hause schicken", so seine immer wieder in bayerischer Mundart vorgetragenen Kampfparolen. Das Publikum spielte mit, schrie "buh, buh!" bei der Erwähnung eines roten Ministers, jubelte über jeden Kalauer wie die Bezeichnung von Arbeitsminister Walter Riester als "master of desaster". Dann lobte er sein "Kompetenzteam" genanntes Schattenkabinett mit den Worten: "Wir brauchen das Stärkste neben mir." Ankündigungen über bereits Bekanntes hinaus machte er nicht, ebenso wenig Angaben zur Finanzierung: Die Union wolle den Spitzensteuersatz auf unter 40 Prozent drücken, ebenso die Sozialversicherungsbeiträge und die Staatsquote. Die nächste Stufe der Ökosteuer werde ausgesetzt und Deutschland brauche "eine Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung". Zur Debatte über ein Reformtempo im Falle eines Wahlsieges sagte Stoiber: "Wir werden das umsetzen, was wir ankündigen und nichts anderes. Wenn die Reformschritte nicht ausreichen, werden wir weitersehen." Eine deutliche Absage gab es dagegen an eine große Koalition. "Das ist für mich überhaupt kein Thema." Zum Thema Rechtspopulismus sagte Stoiber: Er wolle nicht, "dass einer wie Pim Fortuyn eine Chance in Deutschland bekommt". Mit Blick auf die von FDP-Vizeparteichef Jürgen Möllemann angeheizte Antisemitismusdebatte meinte er: "Wer Kritik gegen Israel als verdeckten Antisemitismus praktiziert, wird auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen." Anders als CDU-Chefin Merkel am Tag davor, bedankte sich Stoiber bei Altkanzler Helmut Kohl ausführlich für dessen Leistungen bei der Wiedervereinigung. "Er hat die deutsche Einheit geschaffen." Der Altkanzler kämpfte mit Tränen, stand aus dem Kreise der CDU-Delegierten in Rheinland-Pfalz auf und winkte in den Saal. Thema Benes-Dekrete Dessen Nachfolger als Parteichef, Wolfgang Schäuble, klatschte an dieser Stelle nicht. Zuvor hatte Schäuble - im Kompetenzteam für die Außenpolitik zuständig - auch zur Frage der Benes-Dekrete Stellung genommen: "Auch wenn Unrecht nicht ungeschehen gemacht werden kann, muss es als solches benannt werden. Das gilt auch für das Unrecht der Benes-Dekrete." Auch im Parteiprogramm, das einstimmig angenommen wurde, heißt es: "Die Vertreibungsdekrete sind Unrecht. Sie stehen im Gegensatz zu Geist und Werten der EU und des Völkerrechts." Und: "Das Recht auf Heimat gilt." Sichtlich zufrieden mit dem Verlauf des Parteitags zeigte sich Stoibers Wahlkampfmanager Michael Spreng: Vom STANDARD gefragt, wie er die Chancen für einen Wahlsieg einschätze, sagte Spreng: "60 zu 40. Konservativ geschätzt." (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Print- Ausgabe, 19.6.2002)