Wien - "Ein echter Klassiker" lautete das erste Urteil, als die Vorgänge im Margaretener Haus Fendigasse 5 bekannt wurden. Auch wenn das Gebäude derzeit außen hübsch angefärbelt wird - für das Innenleben bleibt nur ein passender Ausdruck: Absiedlungs-Spekulation. Begonnen hatte es nach dem März 2001, als die Montana Millenium Liegenschaftsverwertungs GmbH als neuer 97-Prozent-Eigentümer des Hauses auftrat. Der Firmen-Eigentümer, Herr M., ist in der "Szene" bestens bekannt - "der hat sich schon in der Hernalser Bergsteiggase 4 als rabiater Mieterabsiedler einen schlechten Namen gemacht", weiß Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SP). Im gleichen Stil ging es auch in der Margaretener Fendigasse weiter. Da wurde auf einmal in Vorbereitung eines Dachbodenausbaus das Dach abgedeckt und vollkommen unsachgemäß abgedichtet. Das alles, wie sich zeigte - ohne Baugenehmigung. In der Folge waschelte es in die Wohnungen darunter hinein. "Auf einmal ist bei mir der Verputz von der Decke gefallen", berichtet eine Mieterin. Eines Tages war die Muschel in der Gangtoilette im 4. Stock weg - und die Hausverwaltung meinte, sie wisse nichts von Bauarbeiten, sie habe nichts in Auftrag gegeben. Dann wurde wieder mitgeteilt, man müsse künftig die Toilette ein paar Stockwerke tiefer benützen. Einer gehbehinderten Dame wurde angedroht, dass sie ins Altersheim gebracht und ihr Hund ins Tierheim verfrachten werde. Pech nur für Herrn M., dass er hier auf ausgesprochen resolute Mieterinnen traf, die sich nicht so schnell einschüchtern lassen. "Angst? Ich kenn' keine Angst. Ich hab den Krieg überlebt", trotzt die Gehbehinderte, die vor 68 Jahren die Wohnung von ihren Eltern übernommen hatte. Am Dienstag marschierte dann die Antispekulationsgruppe von Werner Faymann im Haus ein. Und veranlasste sofort: Baustopp für sämtliche unbewilligte Arbeiten im Haus. Heute, Mittwoch, sollen bei einer Ortsverhandlung mit der Baupolizei die notwendigen Sicherungsarbeiten festgelegt werden. Die Mieter werden in der Gebietsbetreuung über ihre Rechte und die geplanten Maßnahmen informiert. Weiters wird ihnen ein über den Rechtshilfefonds finanzierter Anwalt zur Seite gestellt. "Wir werden Schadenersatz, Mietzinsminderung und eine einstweilige Verfügung fordern, durch die der ursprüngliche Zustand des Hauses wieder hergestellt werden muss", kündigt Anwalt Markus Freund an. Sprich: Das Dach muss wieder her. Faymann kündigte am Dienstag eine "Aktion Scharf" gegen derartige Spekulationsfälle an. "Wichtig ist, dass sich die Mieter bei Schikanen sofort melden, dann kann man binnen 30 Tagen eine Besitzstörungsklage einbringen", appelliert Anwalt Freund. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.6.2002)