Wirtschaft
Kritik an Basel II-Vorschriften
Finanzexperten warnen vor negativen Auswirkungen standardisierter Risikobewertung
Wien - Die heutigen Industriellen und ehemaligen
hochrangigen Finanzexperten Hannes Androsch (Ex-Finanzminister und
CA-Generaldirektor) und Josef Taus (Ex-Generaldirektor Girozentrale)
waren sich am Dienstag bei einer Veranstaltung bei Deloitte
Consulting weitgehend einig, was die Vorbehalte zur geplanten
Basel-II-Regelung für strengere Eigenkapitalauflagen für Banken bei
Kreditvergaben an Unternehmen betrifft. Androsch kritisierte vor
allem die geplante Risikoeinstufung von Klein- und Mittelunternehmen
(KMU) mit 100 Prozent als "Verrücktheit, die schwer nachvollziehbar
ist". Taus verwies darauf, dass eine österreichische
Schlüsselindustrie, die klein strukturierten Tourismusbetriebe, "dann
keine Kredite mehr bekommen" würden, da deren Bankverschuldung zu
einem großen Teil höher sei als ihre Bilanzsumme. Wenn man als Wesen des Bankgeschäfts den Handel mit Risiken
bezeichne, drohe mit Basel II eine "Gleichmacherei der
Risikoeinschätzung", und man müsse sich fragen, ob ein Bankensystem
im heutigen Umfang dann überhaupt noch erforderlich sei. Taus verwies
darauf, dass in den USA von rund 9.000 Banken nur 37 Institute Basel
II übernehmen würden, es sei daher nicht verständlich, warum die EU
die neue Eigenkapitalrichtlinie für alle Banken einführen wolle.
Übertriebene Kapitalmarktfinanzierung
Vor allem im deutschsprachigen Raum sei das Geschäft der
Universalbanken auf die Finanzierung von Bankkrediten aufgebaut. Mit
Basel II werde eine übertriebene Kapitalmarktfinanzierung eingeführt,
die in dieser extremen Form auch im angloamerikanischen Raum nicht
existiere. "Die Chefs der Regionalbanken kennen die Kreditwürdigkeit
ihrer Geschäftskunden meist haargenau", erzählte Taus aus seiner
langjährigen Bankerfahrung. Bilanzen seien bei Kleinbetrieben nicht
allein aussagekräftig, nicht selten würden Kredite auch durch
Sparbücher besichert.
Doch nicht nur Dienstleistungsunternehmen, auch die österreichische
Industrie komme mit der Kapitalausstattung im internationalen
Vergleich nicht mit. "In Österreich ist ein Unternehmen mit 200 Mill.
Euro bereits ein Riese, selbst die größten Unternehmen in Österreich
sind nach Maßstäben des internationalen Kapitalmarktes klein".
In Österreich liegt die durchschnittliche Eigenkapitalquote mit 28
Prozent deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. In Deutschland
betrage die Quote 30 Prozent, in anderen EU-Ländern teils deutlich
mehr (Portugal 42 Prozent), sagte der Geschäftsführer des
Fachverbandes der Raiffeisenkassen, Andreas Pangl.
Frei zirkulierende Geldströme
Androsch kritisierte das von den USA dominierte internationale
Finanzsystem, das mit dem Bretton-Woods-Abkommen 1971 freie
Wechselkurse und damit Deregulierung und Liberalisierung eingeläutet
habe. Damit seien international frei zirkulierende Geldströme
entstanden, denen knapp reguliertes nationales Geld gegenüberstehe.
Die Folge seien zahlreiche Finanzkrisen wie zuletzt in Argentinien
gewesen, bei denen Spekulanten vor allem in den USA "großes Geld
gemacht" hätten. Diese Instabilität könne man mit höherer
Eigenmittelausstattung wie Basel II aber nicht in den Griff bekommen.
Selbst in amerikanischen Finanzkreisen sei zu hören: "Zuerst hat man
die japanischen Banken umgebracht, jetzt kommen die europäischen
dran". (APA)