International
Ärger über "Angstminister"
US-Justizminister John Ashcroft wird wegen unbelegter Anschuldigungen um angeblich verhinderten Anschlag mit "schmutziger Bombe" scharf kritisiert
Eine Woche nach der dramatischen Ankündigung von US-
Justizminister John Ashcroft,
US-Geheimdienste hätten
Pläne für eine so genannte
"schmutzige Bombe" vereiteln
können und man habe den Al-
Qa'ida-Terroristen und US-
Bürger Jose Padilla, alias Abdullah al-Muhajir, als "feindlichen Kämpfer" vom Justizministerium in das Verteidigungsministerium überstellt,
steht Ashcroft selbst im
Kreuzfeuer der Kritik. Es stellte sich nämlich heraus, dass es sich keineswegs
um konkrete Pläne der Al-
Qa'ida gehandelt hatte, die -
wie es bei Ashcrofts dringlicher erster Ankündigung aus
Moskau schien - in letzter Minute durch die Tüchtigkeit der
viel kritisierten US-Geheimdienste abgewendet werden
konnte: Das Einzige, was bisher festzustehen scheint, ist,
dass Padilla tatsächlich Recherchen über radiologische
Waffen getätigt hat - die sich jedoch auf intensives Internetsurfen beschränkten.
Kurz nach Ashcrofts Auftritt hatte Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz bereits abgeschwächt, es habe
sich nicht um definitive "Pläne", sondern nur um lose geführte Gespräche gehandelt.
Im Weißen Haus war man
darüber verärgert, dass Ashcroft die unmittelbare Gefahr
einer "dirty bomb" allzu stark übertrieben hatte und spielte
dieses Unbehagen durch eine
Reihe wohl gezielter Ankündigungen auch den US-Medien zu. Dazu kommt, dass man
keine dringliche Notwendigkeit sah, die Äußerungen Ashcrofts per Videoüberspielung
aus Moskau öffentlich zu machen - außer der, Ashcroft
wieder einmal ins rechte Licht
zu setzen.
Noch immer gibt es Beobachter, die behaupten, Ashcrofts Darstellung sowie der
Zeitpunkt seien mit dem Weißen Haus abgesprochen gewesen, um von den im Kongress
stattfindenden Hearings über
das Versagen der US-Geheimdienste abzulenken.
Der ehemalige republikanische Senator Ashcroft, der im
Jahr 2000 seine Wiederwahl
verlor, musste nach seiner
Nominierung zum Justizminister im Jänner 2001 rigorose
Hearings durch seine ehemaligen Senatskollegen durchlaufen. Er wurde vor allem
wegen seiner erzkonservativen Ansichten - gegen Abtreibung und Waffenkontrollen -
und mangelnden Feingefühls
im Rassenkampf angegriffen.
Nach dem 11. September
verstand es Ashcroft - der von
der Washington Post als "De-facto-Angstminister" bezeichnet wird - jedoch, sich
immer wieder in Szene zu setzen, so sehr, dass es ihm
manchmal gelang, US-Präsident George W. Bush selbst die
Show zu stehlen.(Der STANDARD, Printausgabe, 18.6.2002)