Österreich
Mordprozess Wurst : Gutachten belastet Kärntner Kinderarzt
Fachkollege: "Auch in den 60-iger Jahren gab es keine derartigen Therapien"
Klagenfurt - Im Klagenfurter Prozess gegen den 82-jährigen
Arzt Franz Wurst wegen Anstiftung zum Mord und mehrfachen Missbrauchs
von Kindern und Jugendlichen belastete am Montag ein deutsches
Gutachten den Angeklagten massiv. Der Münchner Universitätsprofessor
für Pädologie, Joachim Walter, erklärte, dass einige der von Zeugen
geschilderten Untersuchungen "bar jeder medizinischen Indikation"
seien.
Auch in den 60-iger Jahren gab es keine derartigen Therapien
In Wursts Aufnahmen von Jugendlichen konnte der deutsche Gutachter
keine medizinischen Auffälligkeiten an den Patienten wahrnehmen. Er
meinte: "Auch intensive Nachforschungen ergaben keinen Grund für die
von der Anklage als Porno-Bilder bezeichneten Fotos." Weiters
erklärte Walter dem Gericht: "Hodenmassage gehörte auch in den 60er
Jahren nicht zur kinderärztlichen Therapie."
Sexualisierung ist Verletzung des Persönlichkeitsrechtes
Laut Walter waren die Untersuchungen durch Wurst, wie sie
Ex-Patienten als Zeugen schildern, sinnlos: Genitale Manipulationen,
teilweise bis zum Samenerguss, sowie das angebliche Entblößen des
Arztes stellten laut Gutachter und Anklage eine Verletzung der
Persönlichkeitsrechte der Patienten dar. Walter: "Dies stellt eine
Sexualisierung der Untersuchung dar und ist als Bruch der
Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Arzt abzulehnen."
Schwerwiegendere Fälle hätten an zuständige Fachärzte überwiesen werden müssen
Schwerwiegendere Fälle hätte der ehemalige Vorstand der Heilpädagogik
am LKH Klagenfurt auf jeden Fall nicht nur in der Krankengeschichte
eintragen, sondern auch an zuständige Fachärzte überweisen müssen,
erklärte der Münchner.
Außerdem hätte, so Walter weiter, eine Untersuchung am
unbekleideten Patienten "sensibel und so rasch wie möglich"
vorgenommen werden müssen. Er räumte lediglich ein: "Natürlich stehen
bei Pubertierenden die Genitalien als Uhrzeiger der Entwicklung im
Zentrum der Betrachtung." Wurst entgegnete, er habe niemals Hoden
massiert, Erektionen der Patienten seien ungewollt passiert und die
Grundlage für die Fotos wäre der Lehrstoff des Medizinstudiums im
Jahr 1940 gewesen.
Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Der Gutachter
soll dann zu den einzelnen Patientenaussagen Stellung nehmen. (APA)