Kabul - Rund eintausend Delegierte der Großen Stammesversammlung in Afghanistan, der Loya Jirga, haben am Montag aus Protest die nach ihrer Auffassung nur schleppend verlaufenden Beratungen verlassen. "Es gibt keinen Grund, zu bleiben und langweiligen Reden zuzuhören - darum gehen wir", sagte Sajed Nimatullah, einer der rund 1.600 Delegierten. "(Der neu gewählte Präsident Hamid) Karsai sollte hier sein und über wichtige Dinge wie das neue Parlament sprechen." Karsai sollte sich nach Angaben eines Beraters gegen 15 Uhr (12.30 Uhr MESZ) in einer Rede an die Delegierten wenden. In der Rede werde es nicht um die neue Regierung, sondern um das Parlament gehen, sagte der Berater. Am Wochenende konnte sich die Loya Jirga nicht auf ein Verfahren zur Auswahl der Abgeordneten des künftigen Parlaments oder der neuen Regierung einigen und vertagte die Beratungen auf Montag. Bei den Debatten herrsche eine gespannte Atmosphäre, sagte ein Delegierter aus Kabul am Sonntag. Zeitweise sei es zu Handgemengen unter den Delegierten gekommen, hunderte Redebeiträge lähmten die Arbeit der Loya Jirga. Einige Delegierte beklagten, von Milizführern unter Druck gesetzt worden zu sein. Der Berater Karsais, des bisherigen Regierungschefs, kündigte an, die Vorwürfe zu prüfen und gegen die Verantwortlichen mit aller Schärfe vorzugehen. Beratungen dauern an Die Beratungen der Großen Ratsversammlung in Kabul werden nach Angaben des Karsai-Beraters noch bis mindestens Dienstagabend dauern. Der Direktor der afghanischen Nachrichtenagentur Bachtar, Sultan Ahmed Baheen, sagte am Montag, Karsai habe am Sonntagabend eine Verlängerung der Beratungen vorgeschlagen. Karsai hatte sich am Sonntagabend bemüht, den Streit in Gesprächen mit den Delegierten verschiedener Provinzen zu schlichten. Am Montag wollte er den Delegierten seine Vorstellungen über die Bildung des Parlaments und die Struktur des Staates darlegen. Die Stammesversammlung war am Dienstag zusammengekommen, um über eine neue Übergangsregierung und die Zusammensetzung des Parlaments zu entscheiden. In 18 Monaten soll ein frei gewähltes Parlament die Geschicke des Landes lenken. Der Loya Jirga gehören der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in Afghanistan an. (APA/Reuters)