Wien - Schwierige Börsenzeiten, unsichere Weltlage, Währungskrisen, niedrige Zinsen, das sind die Szenarien, die fast unweigerlich wieder Gold-Anlagen in Erinnerung bringen. Schließlich gilt das gelbe Edelmetall als wertbeständig auch in Krisen, Kriegen und Katastrophen. Zwar sank der Preis jahrelang und bringt Gold auch keine Zinsen, aber jetzt ist offenbar die Renaissance angesagt.

Der Goldpreis, im April 2001 noch bei 255 Dollar (270 Euro) pro Feinunze, liegt derzeit bei etwa 320 Dollar, stieg also in 14 Monaten um rund 25 Prozent.

Dabei sollte aber nicht übersehen werden, dass durch den Rückgang des Dollarkurses gegenüber dem Euro für Europäer der Anstieg wesentlich bescheidener ausfiel.

Die Kurse der Goldminen-Aktien verdoppelten sich so-gar im gleichen Zeitraum. Viele Minenunternehmen in Kanada und Südafrika haben in den letzten Jahren teure Kapazitäten stillgelegt und profitieren vom Preisanstieg überproportional. Wie es weitergehen wird, darüber sind die Experten allerdings uneins.

Kein Preismodell

Das liegt nicht zuletzt daran, dass für den Goldpreis bisher kein wirklich fundiertes Preismodell existiert. Angebot und Nachfrage hängen von zum Teil völlig unberechenbaren Faktoren ab. Zum Beispiel sorgt der Konflikt zwischen Indien, das traditionell zu den starken Nachfragern am Goldmarkt gehört, und Pakistan für steigenden Bedarf. In Japan wuchs die Nachfrage, seit die Regierung die Garantie für Spareinlagen bei den Banken zurückzog.

Dagegen spielt die berechenbare industrielle Nachfrage zurzeit eine geringere Rolle. Die europäischen Notenbanken in ihrer alten Rolle als Goldhorte (sie verfügen über Reserven von rund 300 Milliarden Dollar) verringern zwar ihre Bestände am edlen Metall, aber nur im Rahmen des bis 2004 laufenden Washingtoner Abkommens um 400 Tonnen jährlich. Die chinesische Zentralbank wiederum tritt als Käufer auf.

Für eine sinkende Tendenz des Goldpreises sprechen angekündigte höhere Goldexporte Russlands sowie der Umstand, dass die jüngste Hausse zusätzliche Produktionskapazitäten rentabel macht.

Analytiker sind über die weitere Tendenz jedenfalls uneins. Während Optimisten schon von einem Goldpreis von 400 Dollar zum Jahresende reden, sehen die meisten den Preisverlauf nun eher flach, was im Konnex mit einer weiteren Abschwächung des Dollars für Euroländer ein Minus bedeuten würde.

Für Gold-Anlagen kommen neben Barrengold und Münzen üblicherweise Minen-Aktien sowie darauf spezialisierte Fonds infrage. Neuerdings werden auch Zertifikate wie zum Beispiel das X-Pert-Zertifikat der Deutschen Bank auf eine Feinunze Gold angeboten. (Nikolaus Dolenz/DER STANDARD, Printausgabe, 17.6.2002)