Prag - Am Ende waren es doch zu viele. "Alle gegen Klaus" hatte das unausgesprochene Motto der letzten Tage im tschechischen Parlamentswahlkampf gelautet. Mit der sich abzeichnenden Niederlage der konservativen Bürgerpartei (ODS) scheint sich die politische Karriere ihres Vorsitzenden Vaclav Klaus (61) nun ihrem Ende zuzuneigen. Weder die angestrebten Ämter des Ministerpräsidenten noch des Staatspräsidenten scheinen für Klaus noch in Reichweite, denn Klaus hat nach dem zu erwartenden Wahlergebnis keinen Partner mehr für eine Mehrheit. Allerdings ist es zu früh, Klaus abzuschreiben. Das hat er mehrmals bewiesen. Als seine bürgerliche Koalitionsregierung im Spätherbst 1997 über eine Spendenaffäre in seiner ODS zerbrach, schien das Klaus' politisches Ende. Weniger als ein Jahr später war er wieder im Zentrum der Macht, als er völlig überraschend mit den Sozialdemokraten (CSSD) den so genannten Oppositionspakt schloss, der Tschechien in der vergangenen vier Jahren eine sozialdemokratische Minderheitsregierung mit Duldung der ODS brachte. Klaus völlig abzuschreiben, dafür ist es vielleicht auch deshalb zu früh, weil der Mann die Partei ist. Wie die ODS ohne ihn weiter bestehen könnte, ist kaum vorstellbar. Auch ihren Wahlkampf hatte die Partei ganz auf ihren Vorsitzenden ausgerichtet. Denn Klaus hat nicht nur Gegner, sondern auch geradezu fanatische Anhänger, die ihm nach den Worten eines Beobachters wie "Gläubige" zu folgen bereit sind. Er hat diese Partei nicht nur aufgebaut, sondern auch fast alleine geprägt. Er polarisiert wie wenige andere Politiker des Landes. Der Einstieg von Klaus in die Politik begann wie bei so vielen anderen in den Tagen der "samtenen Revolution" Ende 1989. Rasch stieg der Wirtschaftsfachmann damals zu einem der führenden Vertreter des Bürgerforums (OF) auf. Von seinem einstigen Weggefährten Vaclav Havel trennen ihn längst Welten, die Rivalität und Abneigung zwischen den beiden ist heute in Prag sprichwörtlich und immer Anlass zu munteren Spekulationen. Nach dem Zerfall des Bürgerforums 1991 gründete Klaus die ODS. In der Partei setzte der Absolvent der Prager Hochschule für Ökonomie, Studienrichtung Außenhandel, seine Vision einer "Marktwirtschaft ohne Attribute" durch. In der ersten nicht-kommunistischen tschechoslowakischen Regierung wurde er Finanzminister, 1992 und 1997 wurde er tschechischer Ministerpräsident. In seine Zeit fiel die nicht unumstrittene "Kupon-Privatisierung" ebenso, wie die mit seinem slowakischen Pendant Vladimir Meciar eisern durchgezogene Teilung der Tschechoslowakei per 1.1.1993. Als sein politisches Vorbild hat Klaus wiederholt die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher genannt. Mit ihr teilt er nicht nur die abschätzige Meinung über Journalisten, sondern auch ein tiefes Misstrauen gegen die EU. Im Wahlkampf warnte Klaus nicht nur: "Tschechien darf sich nicht im Brüsseler Kaffee wie ein Zuckerwürfel auflösen", sondern forderte auch schriftliche Garantien der EU für die Unantastbarkeit der Benes-Dekrete. Andernfalls könne er bei der im nächsten Jahr erwarteten Volksabstimmung über den EU-Beitritt "eine Zustimmung nicht empfehlen". Der stets mit konservativer Eleganz gekleidete Klaus gilt im persönlichen Umgang als nicht gerade einfach. In seiner politischen Tätigkeit hat er sich zahlreiche Feinde gemacht, zu vielen einstigen Weggefährten sind die Brücken längst abgebrochen. Seinen überlegenen Intellekt - er spricht unter anderem vier Fremdsprachen - lässt er seine Umgebung nicht ungern spüren, devote Anreden wie "Herr Professor" oder "Herr Vorsitzender" weiß er zu schätzen. Mit der wahrscheinlichen Niederlage der ODS, dem Rückzug von CSSD-Ministerpräsident Milos Zeman und dem Ende der Amtszeit von Präsident Vaclav Havel Anfang 2003 könnte damit in Tschechien eine Periode der post-kommunistischen Ära zu Ende gehen. Der gleichzeitig bevorstehende EU-Beitritt wird eine neue Epoche einläuten. (APA)