Belgrad - Der serbische Geheimdienst hat am Freitagabend im Belgrader Nobelviertel Senjak eine Hausdurchsuchung bei ihrem früheren Chef Jovica Stanisic vorgenommen. Ein Belgrader Sender meldete unter Berufung auf gut unterrichtete Kreise, dass auch Ermittler des UNO-Kriegsverbrechertribunals bei der Hausdurchsuchung anwesend gewesen wären. Stanisic war bis September 1998, als er seines Spitzenamtes im serbischen Staatssicherheitsdienst enthoben wurde, der engste Mitarbeiter von Slobodan Milosevic gewesen. Öffentlich war er zum ersten Mal während des Bosnien-Krieges im Jahr 1994 aufgetreten, als er als Vermittler Belgrads bemüht war, die UNPROFOR-Geiseln der bosnischen Serben zu befreien. Eine Zeit lang war er sogar als jugoslawischer Außenminister im Gespräch. Stanisic meldete sich seit der Amtsenthebung nicht mehr zu Wort. Nach der Wende in Belgrad waren gegen ihn vorerst keine Ermittlungen eingeleitet worden, was in der Öffentlichkeit meist mit seinen freundschaftlichen Beziehungen zum serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic in Verbindung gebracht worden war. Stanisic dürfte wie der frühere jugoslawische Vizeministerpräsident Nikola Sainovic beste Informationen über Milosevics Kriegspläne haben. Sainovic befindet sich seit Anfang Mai im Gefängnis des UNO-Tribunals in Den Haag. Es wird angenommen, dass er nicht bereit ist, gegen Milosevic auszusagen. Der Chef der serbischen Kriminalpolizei, Dragan Karleusa, kündigte unterdessen gegenüber dem Belgrader Sender Ausgrabungen von neuen, kürzlich entdeckten Massengräbern auf dem Polizeiübungsplatz im Belgrader Vorort Batajnica an. Nach Angaben Karleusas dürften sich in den neuen Massengräbern Leichen von Kosovo-Albanern befinden, die während des Krieges getötet worden waren. In Batajnica waren im letzten Sommer bereits über 100 Leichen aus zwei Massengräbern exhumiert worden. Ihre Identifizierung ist, soweit bekannt, noch im Gange. (APA)