Die Weltwirtschaft wird bis weit in dieses Jahrhundert hinein von Erdöl und anderen fossilen Brennstoffen abhängig bleiben, und ihre Verwundbarkeit wird noch zunehmen. Energiesparen kann den steigenden Verbrauch zwar mäßigen, aber nicht umkehren. Erneuerbare Energien sind viel versprechend, werden aber so bald keinen Ersatz für fossile Brennstoffe darstellen.Dennoch gibt es Hoffnung auf eine reiche, saubere Energiequelle, die die globale Sicherheit enorm verstärken würde, indem sie die Produktion näher an den Verbraucher rückt: Gashydrat, eine Form von Eis. Es entsteht, wenn Erdgas aus dem Erdinneren nach oben dringt und sich am Meeresboden mit Wasser verbindet. Nach seiner Freisetzung könnte es in Speichern aufgefangen und wie normales Erdgas in Pipelines transportiert werden. Das aus Hydrat gewonnene Gas ist identisch mit dem heute verwendeten Erdgas, das zunehmend an Beliebtheit gewinnt. Momentan macht es mehr als 20 Prozent des Energieverbrauchs weltweit aus, in erster Linie, weil es sauberer verbrennt als Kohle oder Öl. Die einzigen Nebenprodukte der Verbrennung sind Kohlendioxid, Wasser und Stickoxide. Kohlendioxid ist zwar ein Treibhausgas, aber Erdgas produziert weniger davon als andere fossile Brennstoffe. Die mit unserer modernen Technik abbaubare Menge an Erdgas weltweit liefert, gemessen an den aktuellen Preisen und dem aktuellen Verbrauch, einen Vorrat für etwa 60 Jahre. Das Ende der Gasvorräte mag weit entfernt erscheinen, aber das Risiko eines Zusammenbruchs der Sicherheit, der die Vorräte gefährden könnte, ist unser ständiger Begleiter. Nur sechs Prozent der konventionellen Gasreserven befinden sich in Nordamerika - grob geschätzt ein Zehnjahresvorrat für diesen Kontinent. Europa importiert einen Großteil seines Gases aus Russland, Japan importiert flüssiges Erdgas aus Indonesien und dem Nahen Osten. Optimal verteilt Die Erdgasvorräte sind ungleich auf der Welt verteilt - und an Orten, die weit von den meisten Verbrauchern entfernt sind. Russland besitzt ein Drittel der Gesamtreserven; ebenso viel wird von den Staaten am Persischen Golf kontrolliert. Gashydrat hingegen findet sich in der Nähe vieler Länder mit hohem Verbrauch in Hülle und Fülle. Gemessen an ihrem aktuellen Gasverbrauch besitzen die USA in ihren Hoheitsgewässern einen Vorrat, der schätzungsweise für 1000 Jahre reichen würde. Auch Japan ist mit einer großen potenziellen Quelle ausgestattet. Leider gilt es einige nicht unerhebliche Hindernisse zu überwinden. Um das Gas freizusetzen, muss das gefrorene Wasser geschmolzen werden. Dies kann auf drei verschiedenen Wegen geschehen: Man erhöht die Temperatur, verringert den Druck oder gibt Chemikalien dazu. Die optimale Methode ist noch nicht bekannt. Wichtiger noch ist die Tatsache, dass Hydratfelder an einigen Orten zwar riesig, aber weitläufig sind: Ihre Erschließung wäre dem Abbau eines sehr minderwertigen Erzes vergleichbar - die Mühe und das Geld nicht wert. Eine zuverlässige Einschätzung der globalen Hydratreserven und der Kosten für die Gewinnung wäre eine äußerst weise Investition. Auch wenn Gashydrat dem Wettbewerb mit konventionellem Gas nie standhalten kann, könnte es als strategische Energiereserve wertvoll sein. Viele Länder subventionieren ihre Nahrungsmittelproduktion, um Vorräte für den Notfall bereithalten zu können. Die Möglichkeit einer inländischen Hydratproduktion würde einem ähnlichen Zweck dienen und könnte vielleicht das Versprechen einer neuen Ära der globalen Energiesicherheit bergen. (Robert L. Kleinberg/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16. 6. 2002)