EU
"Wie die Reichen den Armen drohen"
"Süddeutsche Zeitung": Hinter EU-Drohkulisse verschwindet Kompliziertheit der Probleme der illegalen Einwanderung
München - "Die Wahlerfolge politischer Populisten haben
Europas Regierungschefs aufgeschreckt. Die Bürger sollen keine Angst
mehr vor zu vielen Fremden haben. Darum will man vom EU-Gipfel in
Sevilla nächste Woche eine markige Botschaft in die Welt schicken:
Europa wehrt sich gegen illegale Einwanderung", schreibt am Freitag
die "Süddeutsche Zeitung". "Wer Europa dabei nicht hilft, muss mit Sanktionen rechnen. Das
Wort 'Sanktionen' fehlt zwar im Text, auf den sich gerade die
europäischen Innenminister geeinigt haben. Von 'politischen
Reaktionen' der EU ist jetzt die Rede, falls andere Staaten nichts
tun, wenn schwer beladene Flüchtlingsschiffe ihre Häfen verlassen
oder wenn sie sich weigern, Landsleute zurückzunehmen, die als
Illegale in Europa aufgegriffen oder als Asylbewerber abgelehnt
wurden. Die 'weichere' Formulierung ist immerhin ein Fortschritt,
gibt es doch Regierungen in Europa, die unverblümt auch mit der
Kürzung von Entwicklungshilfe drohen wollten. Doch wer Hilfe für arme
Länder kürzt, treibt nur noch mehr ihrer Bewohner in die reicheren
Ecken der Welt. Andererseits ist es auch nicht unbillig, etwa von dem
EU-Aspiranten Türkei zu verlangen, auf eigenem Territorium mehr gegen
kriminelle Schlepperbanden zu tun."
"Ärgerlich ist nur, dass hinter der Drohkulisse, die Europas
Regierungen jetzt aufbauen, die Kompliziertheit der Probleme
verschwindet. Dazu passt, dass ein Land wie Italien am lautesten nach
Sanktionen ruft, gleichzeitig aber immer noch nicht das
Cotonou-Abkommen ratifiziert hat. Diesen Vertrag hat die EU vor mehr
als einem Jahr mit 76 armen Ländern geschlossen. Diese haben sich
darin bereits verpflichtet, illegale Flüchtlinge wieder
zurückzunehmen."(APA)