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Agnellis ohne Fiat - "Perch´e no?"
Der kleine Bruder Umberto bastelt am Ausstieg des mächtigen Clans aus dem Autogeschäft
Rund hundert Jahre hat die
Turiner Unternehmerfamilie
Agnelli die Industrie- und Unternehmenspolitik Italiens
wesentlich beeinflusst. Mit
der Krise des Fiat-Konzerns ist
auch das Ende des Familienkapitalismus und der Abstieg
einer der größten Unternehmerfamilien Europas verbunden. Denn seit der Gründung
von Fiat (Fabbrica italiana automobili Torino) vor rund 100
Jahren agierten die Agnellis
wie ein eigener Staat im Staate. Nicht nur zur Zeit des Faschismus hatten die Agnellis
Einfluss auf die Politik. Die
Schwester von Giovanni Agnelli, Susanna, war jahrelang
Außenministerin, der "avvocato" (Fiat-Ehrenpräsident
Giovanni Agnelli) selbst ist
Senator auf Lebenszeit. Als
Präsidenten des Unternehmerverbandes Confindustria
mischten die Brüder Agnelli
bei wichtigen sozialpolitischen Entscheidungen mit.Nach dem Tod des "Kronprinzen", des 33-jährigen Agnelli-Neffen und Sohn von
Umberto Agnelli, Giovanni
Alberto, vor drei Jahren, begann der Glanz des Imperiums
zu verblassen. Zwar wurde
der 26-jährige Enkelsohn des
charismatischen "avvocato"
als Nachfolger bestimmt. Er
hat aber kaum die Vorausset
zungen, den Konzern aus seiner schwierigen Lage zu bringen. Seit Giovanni schwer erkrankt ist, trägt sein jüngerer
Bruder Umberto die Verantwortung für das Imperium
und arbeitet an einer Zukunft
ohne Fiat: "Die Beteiligung
unserer Familie an Fiat ist
zurzeit strategisch. Das heißt aber nicht, dass dies ewig so
bleiben muss."
Die Interessen des inzwischen 200 Mitglieder zählenden Familienclans sind für
den 68-jährigen Juristen wichtiger, als die Fiat-Autoindustrie vor ausländischem Einfluss zu schützen. Damit steht
er im Kontrast zu Giovanni,
der mehr als ein anderer am
Autogeschäft hängt und einen
Ausstieg als persönliche Niederlage empfinden würde.
Der um 14 Jahre jüngere
Umberto stand jahrzehntelang
im Schatten seines Bruders.
Als kluger Investor ist es ihm
gelungen, seinen eigenen Weg
zu finden und die Beteiligungen der beiden Familienholdings Ifil und Ifi zu diversifizieren. Im Gegensatz zu Giovanni war er nie ein Lebemann, ihm fehlt das Charisma
des "avvocato". Wenn der Agnelli-Clan den Ausstieg aus
dem verlustreichen Autogeschäft will, wird er ihm diesen
Wunsch erfüllen. (tkb, Der Standard, Printausgabe, 13.06.2002)