Was kann man heutzutage eigentlich noch essen? So lautet ein populärer Stoßseufzer vor den chronisch übervollen Tischen in unserer bunten EU-Lebensmittelwunderwelt. Eine Skepsis, die sich in regelmäßigen Abständen vom Skandal nährt. Besser gesagt in diesen Tagen: Von den geradezu sich überschlagenden Skandalen wegen unerwünschter Gifte in Nahrungsmitteln.Nitrofen in Biogeflügel, Antibiotika in Shrimps sowie - ganz aktuell - DDT in den Böden jener Wiener Gärtnereien, die immerhin 57 Prozent des heimischen Gemüses produzieren: Das sind Meldungen, die Angst machen. Angst, dass der schöne Schein und der gute Glauben - knackig grüner Salat, das Bewusstsein, dass man ein artgerecht aufgezogenes Biohuhn ins Rohr schiebt, und so weiter - sich als Schein und Glauben im wahrsten Sinne, nämlich ohne jede materielle Grundlage, entpuppen könnten. Diese Angst sät Misstrauen - oft zu Recht. Sie kann dazu beitragen, dass Konsumenten kritisch mit den ihnen offerierten Produkten umgehen und ihre Macht als Käufer beziehungsweise Nichtkäufer erkennen. Doch sie eignet sich auch bestens zur Erzeugung von politischem Druck: Wer im richtigen Moment mit den richtigen "skandalösen" Testergebnissen an die Öffentlichkeit geht, bringt sich nachhaltig ins Gespräch. Die am Montag präsentierten Testergebnisse waren den Mitarbeitern der Umweltschutzorganisation Global 2000 schon seit Ende April bekannt. Veröffentlicht wurden sie erst jetzt, sechs Wochen später - und die Skandalaufdecker sparten auch nicht mit dramatischen Worten über Gemüse, das auf Sondermüll wachse: Ernsthafter Veränderungswille oder Effekthascherei - man weiß es nicht. (DER STANDARD, Print, 11.6.2002)