Wien - Am bevorstehenden Kammertag der Österreichischen Ärztekammer, der am Donnerstag mit einer Bundeskuriensitzung in Pörtschach beginnt, steht harsche Kritik am Präsidenten auf dem Programm. Gipfeln wird dies voraussichtlich in einem Misstrauensantrag gegen den noch ein knappes Jahr amtierenden Oberösterreicher Otto Pjeta. Jüngster Auslöser für den schon länger schwelenden Frust über den öffentlich wenig präsenten Kammerchef von der ÖVP-nahen "Vereinigung österreichischer Ärzte" ist ein kürzlich abgesegnetes Gruppenpraxenmodell in Oberösterreich. Damit sei "sozusagen der oberösterreichische Kammerchef dem österreichischen in den Rücken gefallen", wie ein Standesvertreter spitz formuliert. Und dieser Oberösterreicher ist Pjeta selbst. Knausrige Kasse Während in der bundesweiten Kammer an einem Rahmenvertrag für die Gruppenpraxen gebastelt wird, hat er als Landeskammerchef mit der bekannt knausrigen (und nicht defizitären) Oberösterreich-Kammer ein Modell unterzeichnet, das einige Restriktionen für die Ärzte vorsieht: Die Patientenzahlen werden bei Teilverträgen begrenzt; fachübergreifende sowie größere Gemeinschaften sind verboten; komplementärmedizinische Leistungen werden eingeschränkt. Deswegen wird Anton Hengst, Vorsitzender der Kurie der niedergelassenen Ärzte in Niederösterreich, am Freitag gegen Pjeta einen Misstrauensantrag einbringen. Dafür hat er das Mandat der NÖ- Praktiker in der Kammer bekommen. Die Oberösterreicher hätten die Bundeskurie torpediert, merkt der Allgemeinmediziner aus Haag an. Der Tiroler Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger formuliert seinen Ärger im Standard-Gespräch ebenfalls unverblümt: "Wir wehren uns gegen das Diktat einer Kammer. Denn damit präjudiziert er uns alle." Wechselberger, Obmann des Österreichischen Ärzteverbandes (einem Zusammenschluss parteifreier Organisationen, dem auch Hengst angehört), meint, dass Pjeta damit in Oberösterreich einen wesentlich schlechteren Vertrag abgeschlossen habe, als es der bundesweite Rahmenvertrag zugelassen hätte. Einen Misstrauensantrag würde Wechselberger jedoch nicht stellen. Selbst Pjetas Fraktionskollege, der Wiener Kammervize Johannes Steinhart, kritisiert das OÖ-Modell. Es sei ein "Etikettenschwindel", weil es sich eher um einen Vertrag "in Richtung Nachfolgeordination" handle (für in Ruhestand tretende Ärzte, die ihre Praxis an einen Nachfolger übergeben wollen). Pjeta, vom STANDARD darauf angesprochen, reagiert unwirsch: "Mir gefällt auch manches in Wien nicht." Ob es einen Misstrauensantrag gegen ihn geben könnte? "Kann schon sein, ich habe keine Ahnung." Kritik dürfe immer geübt werden, und er könne sie auch widerlegen. Denn sein Modell widerspreche "in keinem Punkt" dem Rahmenvertrag, das sei nachprüfbar, sagt Pjeta. Mehrere Kammerfunktionäre kündigen jedenfalls einen "Klescher" beim (jährlich zweimal stattfindenden) Kammertag an. Das Ende ist noch nicht fixiert: entweder am Freitag (wo die Vollversammlung stattfindet) oder - wenn es viel zu besprechen gibt - am Samstag. Denn die Kritik an Pjeta geht noch tiefer: Der oberösterreichische Gemeindearzt habe nicht nur weit weniger Charisma als sein Vorgänger, der verstorbene Wiener Kammerpräsident Michael Neumann, sondern kümmere sich auch nur um einen Teil der Ärzteschaft: "Er kennt nur den Landarzt mit Hausapotheke." (Martina Salomon/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. Juni 2002)