... und größer, als damals, als er als Kind in die Höhle krabbelte. G. ist ein wichtiger Plattenfirmenmensch. Zwischen Berlin, Hamburg und Wien. In Wien geht er manchmal mit E. spazieren. Die ist Chefin eines Radiosenders. Und schon deshalb öfters im vierten Bezirk unterwegs.

G. und E. standen plötzlich da. Mitten im Park. Irgendwer, sagte G., als er dann bei uns auf der Picknickdecke saß, sei bei dem grünen Tor hineingegangen. Und jedes Mal, wenn er in Wien sei, verursache das – das Tor – bei ihm ein bisserl Herzausreißerschmerz. Weil diesmal gerade jemand das Tor an der Prinz Eugen Straße aufgesperrt habe, war er – mit E. – hineingehuscht. Um den Park seiner Kindheit wieder zu besuchen. Inklusive Höhle.

E. war baff. So wie alle, die das erste Mal durch das grüne Tor kommen. Und sich mitten in einer romantischen Zauberlandschaft aus mehr als manndicken Bäumen, verwitterten Barockmäuerchen und -balustraden, Wiesen und Wegen, Sträuchern und Geländekanten, die wohl für Brunnen, Teiche und Wasserspiele vorgesehen waren, wieder findet: Vogelzwitschern, Sonnenschein, Picknick- und Ballspielszenarien, Kinder und Erwachsene im Gras. Staub und Lärm der Stadt sind keine 20 Meter weit weg – aber hinter der grünen Tür liegt eine andere Welt.

Der Schlüssel

E. war nicht nur deshalb baff. Obwohl sie seit Jahren immer wieder hier vorbei kommt, hatte sie keine Ahnung gehabt, dass es zwischen der Belvederpark-Endmauer und der Mauer entlang der Prinz Eugen Straße Platz für einen Park gibt. Hinein geht es nur durch die grüne Tür – und die ist immer verschlossen. Und weil kaum wer weiß, was hinter der Tür ist, sind die wenigen, die es wissen, ungestört: Einen Schlüssel bekommen nur Anrainer. Gegen eine sehr moderate Gebühr.

G. war sichtlich gerührt, den Abenteuergarten seiner Kindheit wieder gefunden zu haben. Dass er sich in „seiner“ Höhle den Schädel anstieß, irritierte ihn nicht. Mehr schon, dass ein Teil des Parks einem privaten Tennisclub Platz hatte machen müssen. Aber der Park, war G. glücklich, ist noch da. Und die Leute können ihn benutzten.

Der Club

Das war am ersten Sonntag im Juni. Am Samstag darauf waren A. und ich bei der Premiere eines neuen Clubs. Der „Club Belvederestöckl“ soll in dem alten, seit Jahren leer stehend Gasthaus an – eher in – der Mauer stattfinden. Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag. Das übliche halt. Schick. Und in dem Garten (samt wiederbefülltem Teich) im Sommer sicher superfein. Leider, erzählte der Veranstalter, müsse er schon im September wieder mit dem Partymachen aufhören: „Aus dem ganzen Park wird ein Golfclub. Das ist alles durch. Irgendwie schade, oder?“ Aber wir wüssten doch alle, wie in dieser Stadt Dinge erreicht werden – und wer gewinnt, wenn Geld gegen (halb)öffentliche Räume antritt.

G. ist längst wieder in Berlin. Oder Hamburg. Ich habe seine E-Mail-Adresse. Aber irgendwie bringe ich es nicht übers Herz, ihm zu schreiben.

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