Kabul - Ausländische Hilfsorganisationen und ihre Mitarbeiter suchen Büros und Wohnungen, und das hat die Mieten in der afghanischen Hauptstadt Kabul in unvorstellbare Höhen getrieben. Noch vor einem Jahr haben Familien ihre Häuser aus Not für Preise verkauft, die sie jetzt in wenigen Monaten als Miete kassieren könnten. Häuser, die um die Jahreswende 250 Dollar (275 EURO) pro Monat kosteten, bringen nun das Zehnfache. Für große Häuser verlangen die Eigentümer bis zu 10.000 Dollar Miete. "Wir haben all die Jahre hier durchgehalten", klagt der Vertreter einer kleinen ausländischen Hilfsgruppe, "und nun sagt der Vermieter, eine große Organisation habe ihm 2500 Dollar Miete geboten. Das können wir uns nicht leisten, wir müssen raus." Die Bitterkeit über die Entwicklung ist groß, und jeder sagt, allein könne dagegen niemand etwas machen. "Es hätte von Anfang an einen Verhaltenskodex geben müssen, dass niemand auf überzogene Mietforderungen eingeht", meint ein deutscher Entwicklungshelfer. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die hohen Mieten werden ein Jahr im Voraus bezahlt, in bar, mit dicken Dollarbündeln. "Das Schlimme ist, dass viel von diesem Geld nicht einmal im Land bleibt, sondern auf ausländische Konten wandert, weil die besten Häuser Leuten gehören, die schon vor Jahren aus Afghanistan weggegangen sind", kritisiert ein afghanischer Student. Der Bedarf an Häusern hat zu einem Boom für die Handwerker geführt. Überall im noblen Viertel Wasir Akbar Khan wird gehämmert. Tischler und Glaser reißen die Plastikfolien heraus und setzen wieder Fenster ein, die im Bürgerkrieg vor acht Jahren zu Bruch gegangen waren. Maurer und Verputzer bringen die Wände in Ordnung, Maler verpassen den Häusern einen neuen Anstrich. Gute Tischler, die Möbel für die Büros herstellen, sind auf Wochen ausgebucht. Manche meinen, die rasche Renovierung vieler Häuser werde bald dazu führen, dass der Markt sich beruhige und die Preise wieder sinken. Andere rechnen mit mehreren Jahren, bis das geschieht. "Die ausländischen Helfer und Diplomaten leben doch hier in Wohngemeinschaften. Irgendwann wollen die in eigene Wohnungen oder Häuser umziehen, das wird eine zweite Nachfragewelle auslösen", meint ein Betroffener. Die Nachfrage nach Häusern ließ über Nacht Maklerbüros wie Pilze aus dem Boden schießen. In der Innenstadt von Kabul hängt das Schild "Häuser zu vermieten" in vielen Schaufenstern. Wenn ein Mittelsmann einen Eigentümer und eine zahlungskräftige ausländische Organisation zusammenbringt, darf er sich bei der Vertragsunterzeichnung sein Scherflein vom Dollarstapel nehmen. (dpa, DER STANDARD, Printausgabe 8./9. 6.2002)