Wien - Die Schlafkrankheit, von der man dachte, sie sei so gut wie ausgerottet, erlebt ein tödliches Comeback. Vor etwa einem Jahrhundert dezimierte sie ganze Dorfbevölkerungen in Zentralafrika, Epidemien mit einer halben Million Toten waren keine Seltenheit. Als der Erreger gefunden worden war - ein Parasit, durch die Tsetsefliege übertragen - begann die systematische Ausrottung, finanziert von der so genannten westlichen Welt, die koloniale Interessen zu wahren hatte: Medikamente, Reihenbehandlungen und Insektengifte.Durch Bürgekriege wurden Kontrollprogramme lahm gelegt Dies schien sich zu lohnen, in den 1960er- Jahren gab es nur noch vereinzelte Fälle von Schlafkrankheit. Als die afrikanischen Staaten in die Unabhängigkeit entlassen wurden, fehl ten ihnen aber finanzielle Mittel zur Behand lung und Prophylaxe, durch Bürgerkriege wurden Kontrollprogramme lahm gelegt. Die Schlafkrankheit kehrte zurück, durch Migration breitete sie sich wieder epidemieartig aus. Heute leiden 500 000 Menschen an der Krankheit Heute leiden bereits 500.000 Menschen an der Krankheit, die jährliche Todesrate liegt bei 70.000, laut jüngsten Daten der Weltge sundheitsorganisation (WHO) mit steigender Tendenz. 60 Millionen Menschen in 36 afrikanischen Staaten sind an steckungsgefährdet - nur sie ben Prozent haben Zugang zu Diagnose und Medikamenten. Zuerst vermehren sich die Erreger der Schlafkrankheit im Blut, verursachen Fieber und schmerzhafte Schwellungen der Lymphknoten. Dann befallen sie das Ge hirn, führen zu Schlafstörungen, Krämpfen, Verwirrung, Gewaltausbrüchen und Wahn sinn. Wird nicht behandelt, folgen Koma und Tod. Betroffene Länder gehören zu den ärmsten der Welt Bis zum Vorjahr gab es mangels Interesse der Pharmaindustrie - die betroffenen Länder gehören zu den ärmsten der Welt, stellen somit keinen profitablen Markt dar - nur ein Medi kament: das seit 1949 eingesetzte arsenhaltige Melarsoprol. Mehr als 30 Pro zent der Patienten sprechen jedoch nicht mehr darauf an, bis zu zehn Prozent sterben an Nebenwirkungen der Arznei. Auf einen Hilfeschrei von Ärzte ohne Grenzen und WHO antwortete Richard Markham, Vorstandsvorsitzender des Pharmariesen Aventis: „Wir wollen eine wesentliche Rolle bei der Verbesserung der Situation übernehmen.“ Aventis investiert 26,6 Mio. in Produktion von und Forschung nach neuen Medikamenten, die kostenlos abgegeben werden. Damit allein, stellt Irmgard Bayer von Aventis-Österreich fest, sei es freilich nicht getan: Damit Patienten auch zu den Arzneien kommen, müsse die In frastruktur in betroffenen Ländern ausgebaut werden. Und das sei nun Aufgabe der Interna tionalen Staatengemeinschaft. (fei, DER STANDARD, Printausgabe, 7.6.2002)