Frankfurt/Main - Mit der "fast gierigen Bereitschaft zur Empörung" in Deutschland setzt sich die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) am Donnerstag in Zusammenhang mit dem durch die FDP ausgelösten Antisemitismus-Streit auseinander. Diese Empörungsbereitschaft drücke "den hellen republikanischen Willen aus, die Werte des Gemeinwesens in mehr oder minder regelmäßigen Abständen zu bestätigen, zu bekräftigen. Weil, so die Denkfigur, die Gefahr besteht, dass die Deutschen im Laufe der Zeit vergessen, welches Unheil sie über die Welt gebracht haben, muss die Bedrohung als eine möglichst aktuelle vergegenwärtigt werden - und zwar in umso kürzeren Abständen, je weiter die Nazi-Zeit in die Ferne rückt und dem deutschen Bürgerkollektiv das unmittelbare Erinnern allmählich ganz abhanden kommt." "Die Suche nach Anlässen, Gefahr im Verzug zu sehen, wäre dann so etwas wie eine Aktion der politischen Hygiene: eine rituell wiederholte Selbstläuterung und ein Versuch, die Republik durch die wiederholte Neugründung im Geist des Widerstands gegen die Barbarei zu befestigen. Die antifaschistische Empörungsbereitschaft ist zu Teilen sicher von diesem Wunsch getragen, und insofern hat sie ihr Gutes. Doch sie hat auch ihr Ungutes: Es kommt ihr (...) nicht auf die Einzelheit und nicht auf die Wahrheit an. Sie hat kein realistisches Gespür für tatsächliche Gefahren. Sie neigt zum inflationären Umgang mit der Warnung und dem Mahnen, sie merkt nicht, wenn sie das Ritual durch übertriebenen Gebrauch aushöhlt, zerstört, lächerlich macht, entweiht. Sie immunisiert nicht, sondern sie macht, im Gegenteil, unempfindlich..." "Es hat im Grunde etwas Unanständiges und die Vergangenheit Verharmlosendes, die kleinen Probleme, die wir auf dem sicheren Boden einer durchgesetzten und weithin akzeptierten Demokratie haben, auch nur entfernt in die Nähe jener existentiellen Wertefragen zu rücken, vor denen Deutschland von 1933 bis 1945 so folgenreich versagt hat. Etwas Weiteres kommt hinzu: Das Bemühen, das barbarische Vermögen, das der Mensch nachhaltig bewiesen hat, zu bannen oder zu zerstören, verträgt sich nicht mit der Methode des lautstarken Auftritts. Die antifaschistische Manifestation ist fast immer eine selbstgenügsame Veranstaltung, bei der sich die Belehrten selbst feiern. Wenn sie das tun, fällt es unter die Rubrik Vereinswesen. Man sollte dieses unpolitische Treiben jedenfalls nicht zur staatsbürgerlichen, gar staatsrettenden Veranstaltung verklären." (APA)