Afghanistan
Karsai will bei Loya Jirga Präsident Afghanistans werden
Premiersamt in diesem Fall für andere Volksgruppe offen
Kabul/Wien - Der populäre afghanische
Übergangs-Regierungschef Hamid Karsai will Präsident Afghanistans
werden. Karsai kündigte am Donnerstag in Kabul an, in der nächsten
Woche bei der Ratsversammlung Loya Jirga für das Präsidentenamt zu
kandidieren. "Im Moment sieht es so aus, und wenn ich von der Loya
Jirga gefragt und nominiert werde, werde ich akzeptieren", sagte
Karsai. Die Loya Jirga tritt am kommenden Montag mit 1.500
Delegierten zusammen, um eine neue Regierung zu wählen, die bis zu
Parlamentswahlen im Jahr 2004 im Amt bleiben soll. Karsai (44) gehört der größten afghanischen Volksgruppe der
Paschtunen an und war im Dezember entsprechend den Beschlüssen der
Afghanistan-Konferenz von Bonn Übergangspremier geworden. Er genießt
inzwischen das Vertrauen der Bevölkerung und des Westens. Sowohl die
USA als auch die EU und die Vereinten Nationen setzen auf Karsai.
"Karsai wird die wichtigste politische Figur der Zukunft", sagte der
Afghanistan-Beauftragte der Europäischen Union, Klaus-Peter Klaiber,
am Donnerstag in Kabul.
Keine Unterstützung der Miliz
Anders als die meisten Minister in seiner von der tadschikischen
und usbekischen Nordallianz beherrschten Regierung hat der Paschtune
Karsai allerdings nicht den Rückhalt einer Miliz. In Wien sagte ein
Experte, die Paschtunen müssten dem fehlenden Grad ihrer
Politisierung entgegenwirken. Andernfalls würden sie Gefahr laufen,
"zu Vorzeigefiguren zu werden". Karsai ist zwar im Ausland sehr
angesehen, hat aber im Gegensatz zu den mächtigen Tadschiken-Führern
keine militärische Hausmacht.
Das Mandat von Karsais Übergangsregierung läuft Ende Juni aus.
Zurzeit halten es Beobachter für am wahrscheinlichsten, dass bei der
Loya Jirga das Amt eines starken Präsidenten eingeführt und mit
Karsai besetzt wird. Als Ausgleich zu einem paschtunischen
Präsidenten könnte dann ein Tadschike das frei werdende Amt des
Regierungschefs übernehmen. Ex-König Mohammed Zahir (87), der die
Loya Jirga eröffnen soll, hatte gesagt, dass er nicht auf den Thron
zurückkehren wolle.
Bei einem Verbleib im Premiersamt kann Karsai auch mit der
Unterstützung einer der mächtigsten Fraktionen des Landes rechnen.
Außenminister Abdullah Abdullah sagte am Donnerstag, seine zur
Nordallianz gehörende Jamiat-Fraktion werde auf der Loya Jirga für
Karsai stimmen. Auch Abdullahs früherer Chef, Ex-Präsident
Burhanuddin Rabbani, gilt als Anwärter für das Amt des
Regierungschefs. Dem Außenminister zufolge unterstützen auch mächtige
Militärkommandanten wie Ismael Khan und Hadschi Kadir Karsais als
Premier.
Austro-afghanischer Delegierter
Aus den Reihen der Auslands-Afghanen in Österreich wurde am
Sonntag Mohammed Assif Sarabi aus der Volksgruppe der Hasara, der
seit 19 Jahren in Österreich lebt und die österreichische
Staatsbürgerschaft besitzt, zum Loya-Jirga-Delegierten gewählt.
Sarabi reiste am Donnerstag nach Kabul. Die Abstimmung fand in den
Räumen der afghanischen Botschaft in Wien statt, rund 500 Afghanen
nahmen daran teil. Angetreten waren vier Kandidaten, Sarubi wurde mit
44 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt. Die Auslands- Afghanen
haben insgesamt eine Quote von 100 Delegierten.
Zur Frauenquote in der Loya Jirga heißt es in UNO-Kreisen in
Kabul, der Anteil von etwa zwölf Prozent bei einer
Delegierten-Gesamtzahl von 1.500 sei in Anbetracht der regionalen
Gegebenheiten akzeptabel. Für die Frauen sind 160 Delegierten-Plätze
reserviert. In EU-Staaten wird ein Frauenanteil von zehn Prozent für
realistisch gehalten. Auch bestehe die Gefahr, Quoten mit
"Vorzeige-Frauen zu füllen". Die afghanische Frauenministerin Sima
Samar hatte bei ihrem Aufenthalt in Wien im April einen Frauenanteil
von rund 25 Prozent als wünschenswert bezeichnet. Die Organisation
"Frauen ohne Grenzen" hat zuletzt mit dem Hinweis, Frauen machten in
Afghanistan über 50 Prozent der Bevölkerung aus, einen
Loya-Jirga-Anteil von 30 Prozent für Frauen gefordert. (APA/dpa)