Natur
Gezeiten können Beben auslösen
Niedrige Wasserstände lassen seismische Aktivitäten ansteigen - "biologische Uhr" der Tiefseefauna tickt möglicherweise nach vulkanischem Takt
Wien - Die Vorhersage von Erdbeben ist ein alter Wunsch
verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen, bisher allerdings
meist mit zweifelhaftem Erfolg. Maya Tolstoy von der Columbia
University (USA) hat nun wenigstens für Seebeben einen Zusammenhang
mit den Gezeiten gefunden: Während besonders niedriger Wasserstände
häuften sich um einen unterseeischen Vulkan die seismischen
Aktivitäten. Tolstoys Forschungen konzentrierten sich um einen Vulkan am
mittelozeanischen Rücken im Pazifischen Ozean, ein Gebiet mit
generell heftiger vulkanischer und seismischer Aktivität. Die
Geologin fand heraus, dass 402 kleinere Erdbeben deutlich mit
niedrigem Wasserstand - bedingt durch Ebbe und Flut - korrelierten.
Mittlerweile wurden die Ergebnisse durch William Wilcock von der
University of Washington an einem anderen Platz bestätigt.
Erklärungsversuche
Als eine Erklärung für die Zusammenhänge zwischen Seebeben und
Gezeiten vermuten die Wissenschafter die Druckentlastung bei
niedrigem Wasserstand. Durch die Veränderungen könnten Felsschichten
ins Gleiten kommen. Eine Rolle dürfte auch spielen, dass bei
niedrigerem Druck mehr Wasser in die Poren der Felsen eindringen
kann, so würden mögliche Störungszonen effektiv schlüpfriger.
Nun will die Wissenschafterin untersuchen, inwieweit das durch die
Gezeiten in und aus den Felsen gepumpte Wasser Einfluss auf die
Tierwelt hast. Wie erst in den vergangenen Jahrzehnten
bekannt und untersucht wurde, werden die heißen Quellen und Vulkane
der mittelozeanischen Rücken von einer ganz besonderen Fauna bewohnt.
Die Wasserbewegungen könnten zur Verbreitung der Lebewesen beitragen
und Tolstoy vermutet, dass die Fortpflanzungsphasen möglicherweise
durch die Erdbeben gesteuert werden könnten. Ansonsten gibt es in der
ewigen Dunkelheit der Tiefsee nämlich kaum "Uhren" nachdem sich
Organismen richten könnten. (APA)