Kylie Minogue, der älteste Teenager der Welt, gastierte im Wiener Gasometer. Der Weltstar machte dabei eines klar. Die einzige Madonna, die plausibel Madonna spielen kann, bleibt: Madonna. Wien - Der Anfang ist zumindest originell gestohlen. Er stammt zart abgewandelt von Michael Jacksons letzter Welttour aus dem Jahre Schnee.

Als blecherner Kampfroboter fährt Kylie Minogue zum Titelmotiv des intergalaktischen Erstschlag-Musicals The Sound of Music aus dem Höllenschlund des Bühnenbodens empor. Über ihr baumeln von der Decke herab in Latex verpackte Gusto-Bubis.

Sie müssen unsere rüstige 34-jährige Teenagerin in den nächsten zwei Stunden tänzelnd umgarnen und unwürdige Kostüme wie neonfarbene Ballett-Rocker-Kostüme oder nicht weniger entsetzlich wirkende Dienstuniformen von Saftschubsen der Never-come-back-Airlines tragen.

Eine wackelige Piepsstimme, die klingt, als hätte man sich vor dem Auftritt statt der obligaten Joints noch zwei, drei Heliumballone reingezogen, verkündet jetzt über dem seit Jahr und Tag und DJ Ötzi bekannten Großraumdisco-Wumms, der bis zum Ende nicht mehr weggehen wird: "Come into my world!"

Dort hat die Klimaerwärmung schon in den 80er-Jahren stattgefunden. Kylie Minogue ist es gleich von Beginn weg sehr heiß. Sie muss sich nicht nur gut siebenmal umziehen. Sie muss sich vor allem auch so an- und ausziehen, dass sie im Wesentlichen trotz der Mini-Minikleider und der aus dem Hitvideo bekannten verlängerten Kapuze mit der Betonung auf Steißbein so nackt wirkt, dass man im Publikum vor lauter Gaffen eines vergisst:

Bis im Zugabenblock endlich ihr großer, einziger und tatsächlich genialer Hit Can't Get You Out Of My Head mit der Betonung auf "Na, na, na!" erklingt, wird hier eben auch musikalisch nur Konfektionsware geboten. Die hört sich weniger nach Prêt-à-porter als nach Dessous-Ikea an.

Von Nicole Kidmans Korsage aus Moulin Rouge über tragödisch schwarze Diven-Robe, japanische Manga-Ästhetik und Clockwork Orange auf schwul ist hier alles drin, was man sich im großen Supermarkt des Pop in den letzten Jahren so als inhaltsleeres Sortiment zulegen kann.

Dazu laufen auch noch Schmonzetten wie Locomotion oder I Should Be So Lucky im aktuellen Dancefloor-Gewand, ihre größten Erfolge aus den 80er-Jahren, während derer sie zwar dieselbe eindimensionale Popcorn-Musik machte, aber wegen züchtiger Rüschenröcke und Dallas-im-Gemeindebau-Frisuren völlig zu Recht angefeindet wurde. Eines wird spätestens jetzt klar. Dieselbe Show konnte man im Vorjahr hundertfach besser sehen, bei Madonna.

Wo Madonna aber ihre jeweiligen Bilder, die sich die Welt von ihr macht, selbst bestimmt, oder sie übernommene Bildwelten und Images in ihrem Sinne dekodiert, genügt Kylie Minogue das Malen nach Zahlen. Vorgefertigte Bilder müssen nur noch mit ein wenig persönlicher Note eingefärbelt werden.

Knuddel-Kylie

Hier liegt allerdings auch der Reiz. Wenn in all dem gebotenen Perfektionismus immer wieder der Putz bröckelt, falsche Tanzschritte gemacht werden, das Stimmchen versagt und sie dann ihr entschuldigendes Lächeln eines Mädchens, wie wir alle sind, aufsetzt, wirkt ihr Erfolg auch wieder plausibel. Im Gegensatz zur herrisch wirkenden Madonna könnte man Kylie die ganze Zeit knuddeln. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2002)