Graz - "Das ist wirklich eine Jahrhundertreform", zeigte sich Studiendekan Gilbert Reibnegger angesichts umfassender Neuerungen des Medizinstudiums an der Uni Graz Mittwoch überzeugt. Ab Herbst sollen Studierende ihren Lehrstoff praxisnäher und in fächerübergreifenden "Modulen" vermittelt bekommen. Diese Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter werden große Prüfungen wie Histologie oder Pathologie ablösen.Anders als in Innsbruck und Wien werden Grazer Medizinstudenten außerdem durch ein mehrwöchiges Stationspraktikum und Hospitationen in psychosozialen Einrichtungen und bei niedergelassenen Ärzten schon im ersten Semester Kontakt mit Patienten haben. Der Vorsitzende der Studienkommission, Jörg Stein, hält diese "möglichst frühe Konfrontation mit der realen Arbeitswelt" für besonders wichtig. Vorbilder für den neuen patientenbezogenen Studienplan waren Unis in Holland und Kanada. Wegen der frühen Praktika empfiehlt Egon Marth, Leiter des Grazer Hygiene-Institutes, eine rechtzeitige Hepatitis-B- Impfung. Da der Impfschutz erst nach einem Monat wirkt, können sich Maturanten, die im Herbst mit dem Studium beginnen wollen, schon jetzt kostenlos am Institut für Hygiene impfen lassen. Abgeschlossen wird im neuen Studienplan nach zwölf Semestern mit einer Diplomarbeit. Ein Doktorat kann angeschlossen werden, ist aber für die Arztberechtigung unerheblich. Diese Anpassung an europäische Standards kennt allerdings Grenzen: Ausschließlich in Österreich sollen die künftigen Ärzte mit dem Abschluss eines Diplomstudiums den Doktortitel erhalten. Stein: "In Deutschland haben die Patienten zu Ärzten mit Magister genauso viel Vertrauen." In Österreich hätten allerdings "politische Kräfte" auf der Beibehaltung der "Doktoren" beharrt. Das Universitäten-Kuratorium in Wien sprach sich unterdessen gegen selbstständige Medizin-Universitäten aus. (DER STANDARD, Printausgabe 6.6.2002)