Wirtschaft
Mobilfunk überholt Festnetz in Osteuropa
Studie: Telekom-Märkte in Kandidatenländern wachsen deutlich stärker
Wien - Der Mobilfunkmarkt in den EU-Beitrittsländern
Osteuropas ist drauf und dran, den Festnetzmarkt in diesen Staaten zu
überholen. Schon heuer wird der Mobilfunk-Markt dank eines Wachstums
von 20 Prozent mit dem Festnetzgeschäft (2002: plus 5 Prozent)
gleichziehen. Sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk sollen heuer
jeweils rund 8 Mrd. Euro umgesetzt werden. Schon 2003 soll der
Mobilfunk mit über 9 Mrd. Euro Umsatz das Festnetz bereits um 20
Prozent abhängen. Dies ergab eine Studie des Beratungsunternehmens
Arthur D. Little (ADL), die am Mittwoch veröffentlicht wurde. "Ohne Mobilfunk ist ein flächendeckender Zugang der Bevölkerung in
Zentral- und Osteuropa zu Telekommunikation mittelfristig nicht
denkbar. Da die Festnetzpenetration in den einzelnen Ländern im
vergangenen Jahr zwischen null und einem Prozent anstieg, die
Mobilfunkpenetration aber zwischen neun und 41 Prozent, wird die
Dominanz von Mobilfunk in diesen Ländern immer größer", erklärte
ADL-Telekom-Experte Georg Serentschy. In der EU selbst werden die
Festnetzanbieter 2003 hingegen weiterhin etwa 15 Prozent mehr Umsatz
erwirtschaften als die Mobilfunkbetreiber.
Rasantes Wachstum
Getrieben vom Mobilfunk sollen die Telekommärkte der EU-Kandidaten
in diesem Jahr um 13 Prozent auf 16,3 Mrd. Euro anwachsen. Die
Telekomwirtschaft wächst damit in den EU-Beitrittsländern doppelt so
schnell wie in der EU, wo in diesem Jahr ein Umsatzwachstum von knapp
sieben Prozent erwartet wird.
Das Wachstumspotenzial in Osteuropa ist nach Einschätzung des
Experten nach wie vor enorm. Slowenien wird 2002 nach ADL-Schätzungen
mit einem Pro-Kopf-Umsatz von etwa 330 Euro die Liste der
EU-Beitrittsländer anführen, gefolgt von Ungarn mit 240 Euro und
Tschechien mit 220 Euro. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Umsatz der
Telekomunternehmen innerhalb der EU liegt nach wie vor weit darüber
bei 640 Euro, jener in Deutschland bei 560 Euro, jener in Österreich
bei 710 Euro.
Zahl der westeuropäischen Anbieter schrumpft
Trotz dieses Wachstumspotenzials sieht der Telekom-Experte einige
der zehn großen westeuropäischen Telekomunternehmen in Osteuropa auf
Rückzug. Serentschy: "Ich rechne mit einer Halbierung der Anzahl der
westeuropäischen Telekomfirmen in Osteuropa in den nächsten drei
Jahren." Grund dafür seien eine Reihe von strategischen
Fehlentscheidungen sowie Fehleinschätzungen über die einzelnen
Märkte, aber auch die globale Restrukturierung der gesamten
Telekom-Branche.
Derzeit ortet der Experte am osteuropäischen Telekom-Markt eine
"paradoxe Best Buy-Situation". Ehemals staatliche bzw. noch
staatliche Telekomunternehmen - etwa die tschechische Cesky Telecom,
die ungarische Matav oder die Slowenische Telekom - seien großteils
profitabel und günstig zu haben. Die großen europäischen
Telekomkonzerne könnten diese aber nicht nutzten, weil sie entweder
über keinen finanziellen Spielraum verfügten oder befürchten müssten,
dass sie von den Finanzmärkten für neue Akquisitionen bestraft
würden. Stattdessen würden nun Finanzinvestoren zum Zug kommen, meint
Serentschy. (APA)