Inland
Grüne und SPÖ glauben nicht an Einhaltung der Saisonnier-Quote
Stoisits befürchtet "Zuwanderung durch die Hintertür" - Kuntzl: "Sozialdumping" - Rauch-Kallat: "Realitätsfremde Kritik"
Wien - Der Regierungskompromiss bei der Saisonnierregelung
stößt bei den Grünen auf Ablehnung. Migrationssprecherin Terezija
Stoisits glaubt nicht, dass die vorgesehene Quote von 8.000
Saisonniers in der Praxis gehalten werden kann. Die Zuwanderung werde
nicht gestoppt, wie das die FPÖ behaupte. Stoisits befürchtet "eine
Zuwanderung durch die Hintertür ohne Integrationsmaßnahmen". "Der
Bevölkerung wird nur Sand in die Augen gestreut", sagte sie am
Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Die Hauptkritik von Stoisits richtet sich gegen die Ausweitung der
Regelung auf alle Branchen und gegen die Möglichkeit, Saisonniers
nach sechs Monaten um ein weiteres halbes Jahr zu verlängern. Man
dürfe nicht glauben, dass die Wirtschaft Arbeitskräfte, in die sie
zunächst Geld investiert hat, nach zwölf Monaten einfach wieder
abgebe. "Für so blauäugig halte ich die Wirtschaft nicht", sagte
Stoisits. In der Praxis werde die Quote von 8.000 nicht zu halten
sein. "Es werden deutlich mehr Saisonniers kommen", für die es aber
keinerlei Integrationsmaßnahmen gebe. Die Devise "Integration vor
Neuzuzug" sei nämlich keineswegs umgesetzt worden.
Kritik am "Niederlassungsnachweis"
Kritik übte Stoisits auch am so genannten
"Niederlassungsnachweis", der vorsieht, dass Migranten mit
Aufenthaltsgenehmigung nach fünf Jahren freien Zugang zum
Arbeitsmarkt haben. Diese Regelung gelte nur für künftige Zuwanderer
und werde daher erst im Jahr 2008 zur Wirkung kommen. Wer bereits
jetzt in Österreich lebe und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung
habe, bekomme nicht automatisch eine Arbeitserlaubnis, so Stoisits.
Das sei eine "schwerwiegende Lücke" im Gesetzesentwurf.
Gegenüber dem Begutachtungsentwurf hätte es zwar noch einige
Änderungen gegeben, diese seien aber nur selten positiv, konstatierte
Stoisits. Beim Gesundheitszeugnis, das Migranten beim Eintreffen in
Österreich vorlegen müssen, gebe es zwar Präzisierungen nach dem
Epidemiegesetz, es sei aber unklar, was mit darüber hinaus gehenden
Krankheiten sei. Ein Passus, dass Menschen "ohne Verständigung" ihren
unbefristeten Aufenthaltstitel verlieren können, sei zwar entfernt
worden, die Möglichkeit, den Aufenthaltstitel zu entziehen bleibe
aber aufrecht.
Abgelehnt wird von Stoisits auch die Altersfeststellung mittels
Handwurzelröntgen. Das sei ein Verstoß gegen bestehende Gesetze, die
das Röntgen nur aus medizinischen Gründen erlauben würden. Die
einzige "äußerst positive" Änderung sei das Abschiebeverbot an Länder
mit Todesstrafe.
Auch SPÖ glaubt nicht an 8.000er Quote
Nach den Grünen bezweifelt auch die SPÖ, dass die
Quote von 8.000 Saisonniers in der Praxis halten wird. Die
"Kraftsprüche" von FP-Klubobmann Peter Westenthaler würde ihm "nicht
einmal sein eigener Altparteiobmann Jörg Haider (Kärntner
Landeshauptmann, Anm.)" glauben, meinte SP-Bundesgeschäftsführerin
Andrea Kuntzl am Mittwoch in einer Aussendung. Dieser hatte wegen
Überschreitung der Saisonnier-Quote eine Klage beim
Verfassungsgerichtshof angekündigt. ÖVP und FPÖ weisen die Kritik
zurück.
Westenthaler bezeichnete die Kritik von Kuntzl als "absoluten
Unsinn". Die Quote werde nun per Gesetzesbeschluss mit 8.000
limitiert. Die angekündigte VfGH-Klage beziehe sich auf die Praxis in
den vergangenen zehn Jahren. Wenn diese eingebracht werde, würde er
das daher durchaus begrüßen. Für die Zukunft sei ein Überschreiten
der Quote unmöglich, weil der zuständige Wirtschafts- und
Arbeitsminister Martin Bartenstein "mit Sicherheit keine Gesetze
biegt und bricht".
Rauch-Kallat: "Inkompetente" Kritik
Kuntzl meinte, dass Haider richtig erkannt habe, dass "zukünftig
per Erlass des Wirtschaftsministers Saisonnier-Kontingente in allen
Branchen mehrmals pro Jahr und in beliebiger Höhe bewilligt werden
können". Die Koalition täusche die Bevölkerung "wieder einmal mit
intransparenten Zahlenspielen". Sie befürchtet "Sozialdumping" und
ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit.
Auch VP-Generalsekretär Maria Rauch-Kallat weist die
Oppositionskritik als "realitätsfremd und inkompetent" zurück. Vor
jeder Saisonnier-Bewilligung gebe es, in Abstimmung mit den
Sozialpartnern, eine Arbeitsmarktprüfung. Auch die Kritik der Grünen
Migrationssprecherin Terezija Stoisits am Niederlassungsnachweis sei
falsch. Natürlich würden alle Zuwanderer, die mehr als fünf Jahre in
Österreich leben, freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Das gelte
auch für die, die bereits im Land seien. (APA)