Alpbach/Wien - "Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Flugzeug, und der Kapitän sagt: ,Liebe Passagiere, Sie werden in 97 Prozent der Fälle Ihr Ziel erreichen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Sie einer unserer Mitarbeiter verletzt, liegt bei sechs Prozent.' So müssten Patienten bei Aufnahme in ein Spital informiert werden", sagt Qualitätsmanager und Gynäkologe Norbert Pateisky vom Wiener AKH. Und spricht damit die kaum untersuchte Krankheitsursache Krankenhaus an.Die wenigen Studien referierte Public-Health-Forscher Christian Köck auf der eben zu Ende gegangenen Jahrestagung der heimischen Gynäkologen in Alpbach aus den USA, aus Australien und die neueste aus Großbritannien zu diesen "medical errors": "Drei bis sechs Prozent der Patienten erleiden ein Ereignis, das zu längerem Spitalsaufenhalt oder zu einer Schädigung führt." Im Rückblick. Prospektive Untersuchungen sähen doppelte Opferzahlen. Und so erfassen es die Public-Health-Forscher: Krankengeschichten werden nach Zufallsprinzip ausgewählt und auf Verdachtsfälle untersucht. Bestätigen zwei Fachärzte danach den "medical error", wird er als solcher gewertet. In der Folge werden die Ursachen und "die dramatischen Folgen" (Köck) untersucht: Sieben bis 13 Prozent der Betroffenen sterben daran. Nehme man die konservativsten Ergebnisse aus Australien und nur die halben Spitalsaufnahmen der tatsächlichen in Österreich, geschehen "1050 Todesfälle pro Jahr durch Fehler im Gesundheitssystem", rechnet Köck. Dabei gehe es nicht um Kunstfehler oder die Suche nach schuldigen Individuen, sondern um Ablaufprobleme, um die fehlende "systemische Sichtweise". Etwa um Infektionsprävention. Oder nicht leserliche Handschrift in der Krankengeschichte oder beim Verschreiben von Pharmaka - "zehn Prozent aller Fälle". Mit großen wirtschaftlichen Folgen, meint Gesundheitsökonom Köck: "Vier Prozent der Gesamtkosten unseres Gesundheitssystems - rund eine Milliarde Euro." Bis zu 67 Prozent der Fälle gelten als vermeidbar. "Das größte Problem, das wir nicht angegangen haben", sagt Köck. Projekte, in denen die Meldung eines Fehlers belohnt statt bestraft wird, seien ein guter Ansatz, das Problem unter dem Teppich hervorzuholen. (rosch, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.6.2002)