STANDARD: Es gibt innerparteilich Kritik an Ihnen. Werden Sie in Ihrer Funktion bleiben?

Kuntzl: In dieser exponierten Position muss man mit Kritik leben.

STANDARD: Funktionäre meinten anlässlich der Leikam-Ablöse, Sie und auch Alfred Gusenbauer seien zu abgehoben.

Kuntzl: Wir alle fahren von Veranstaltung zu Veranstaltung und zu den Bezirksorganisationen. Dieser Vorwurf ist noch nie an mich herangetragen worden.

STANDARD: Wieso kann die SPÖ Regierungsprobleme - siehe Multifunktionär Gaugg - nicht für sich nutzen?

Kuntzl: Wir nutzen diese Chancen immer besser. Außerdem sind wir laut Umfragen nach wie vor die mit Abstand stärkste Partei im Land und haben - im Gegensatz zur FPÖ - in den letzten zweieinhalb Jahren so gut wie alle Wahlen gewonnen. Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns.

STANDARD: Themenführerschaft hat die SPÖ allerdings nicht.

Kuntzl: Wir haben eigene Konzepte auf den Tisch gelegt - von der Steuerreform über die Bildungskarenz bis zur Grundsicherung. Für die selbstzufriedene Inszenierung der Regierung beim 100. Ministerrat gibt es überhaupt keinen Grund. Gerade wurde bekannt gegeben, dass wir um 33.000 mehr Arbeitslose haben als im Vorjahr.

STANDARD: Stört es Sie nicht, dass Ihre Partei in interne Debatten verstrickt ist, während Ihnen die Regierung einen Elfer nach dem anderen auflegt?

Kuntzl: Wir greifen die Elfer auf. Der Reinhart Gaugg wird noch ordentlich unter Druck kommen. Ich gehe davon aus, dass er sein Mandat zurücklegen wird. Bei den nächsten Wahlen geht es um eine Richtungsentscheidung: zwischen einer blau-schwarzen Ellbogengesellschaft und einer Gesellschaft, wo alle faire Chancen bekommen.

STANDARD: Die Blauen machen Ihnen Avancen.

Kuntzl: Aber die finden keinen Widerhall.

STANDARD: Kann man nach den Verletzungen der Vergangenheit nochmals an einen rot-schwarzen Neustart denken?

Kuntzl: Beides ist denkbar: eine Koalition mit einer veränderten ÖVP wie auch eine mit den Grünen. Politik darf keine Frage der persönlichen Empfindlichkeiten sein.

STANDARD: Gibt's schon ein Vortasten zwischen Rot und Schwarz?

Kuntzl: Es gibt immer wieder Gespräche. Der Kontakt ist nicht abgerissen.

STANDARD: Tobt in der SPÖ ein Kampf zwischen Alt und Jung?

Kuntzl: Es gibt nach wie vor einige, die sich mit dem Generationenwechsel an der jetzigen Parteispitze schwer tun. Wir werden bei der nächsten Listenerstellung aber wieder darauf schauen, dass möglichst viele Frauen und junge Leute gute Chancen haben.

STANDARD: Der murrende Teil der Partei wird größer werden?

Kuntzl: Das kann sein.

(DER STANDARD, Printausgabe, 5.6.2002)