Deutschland
Niederlage für Westerwelle im Streit über Karsli
Umstrittener Abgeordneter bleibt in FDP-Fraktion - Kritik vom Zentralrat der Juden
Düsseldorf - Der umstrittene Ex-Abgeordnete der
deutschen Grünen Jamal Karsli bleibt gegen den Willen von FDP-Chef
Guido Westerwelle in der nordrhein-westfälischen
FDP-Landtagsfraktion. Das teilte der nordrhein-westfälische
Parteivorsitzende Jürgen Möllemann am Montagabend nach einer Sitzung
des FDP-Landesvorstands in Düsseldorf mit. Karsli war durch
antisemitische Äußerungen aufgefallen. Westerwelle und das gesamte
Präsidium der Bundespartei - außer Möllemann - hatten dafür plädiert,
Karsli aus der Fraktion auszuschließen. In einem bei einer Gegenstimme und einigen Enthaltungen gefassten
Beschluss des Landesvorstandes heißt es laut Möllemann, die
Entscheidung zur Aufnahme von Karsli in die Fraktion müsse revidiert
werden, falls dieser seine Äußerungen wiederholt. Westerwelle sprach
von einer "Bewährungsprobe" für Karsli. Er räumte ein, dass er sich
nicht mit seiner Forderung durchsetzen konnte, Karsli aus der
Fraktion auszuschließen. Auch ein Parteichef müsse "gelegentlich
Dinge hinnehmen, die man sich vorher anders gewünscht hat". Aber auch
Möllemann habe sich nicht vollständig durchgesetzt. "Jürgen Möllemann
hat weniger gewollt, ich habe mehr gewollt", sagte Westerwelle.
Westerwelles Widerstand
Möllemann hatte sich für die Aufnahme von Karsli in die Partei
stark gemacht, war aber am Widerstand von Westerwelle gescheitert. An
der Sondersitzung des FDP-Landesvorstandes hatten neben Westerwelle
auch die Ehrenvorsitzenden der FDP, Hans-Dietrich Genscher und Otto
Graf Lambsdorff, teilgenommen. Beide waren ebenfalls dafür, Karsli
aus der Fraktion auszuschließen.
Am Montag war auch der Antisemitismus-Streit zwischen der FDP und
dem Zentralrat der Juden in Deutschland in eine neue Runde gegangen.
Möllemann hatte dem Vize-Präsidenten des Zentralrats, Michel
Friedman, vorgeworfen, mit seiner "intoleranten und gehässigen Art"
den Antisemitismus in Deutschland zu schüren. Westerwelle machte am
Montag nach einer Sitzung des FDP-Präsidiums in Berlin deutlich, dass
er sich beim Zentralrat entschuldigen würde, wenn er an der Stelle
Möllemanns wäre.
Spiegel: "Betteln nicht um Entschuldigung"
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul
Spiegel, sprach daraufhin im ZDF von Signalen "in die richtige
Richtung". Er fügte aber hinzu: "Wir betteln nicht um eine
Entschuldigung." Der "Financial Times Deutschland" (Dienstag) sagte
Spiegel, zwar hätten sich die großen Volksparteien gegen Möllemann
gestellt, "aber aus den anderen gesellschaftlichen Gruppen, etwa von
den Spitzen der Kirchen, haben wir dazu noch nichts gehört". Der
Zentralrat werde nicht auf Möllemann zugehen: "Das Tischtuch zwischen
uns und Herrn Möllemann ist zerschnitten."
Kritik am Verbleib Karslis in FDP-Fraktion
Der Zentralrat der Juden in Deutschland
hat den Verbleib des umstrittenen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli
in der nordrhein-westfälischen FDP scharf kritisiert.
Zentralrats-Präsident Paul Spiegel sagte am Dienstag in Düsseldorf,
seine Organisation bedaure, dass sich FDP-Chef Guido Westerwelle bei
seinem Gespräch mit dem Landesvorstand am Montagabend nicht
durchsetzen konnte. Er sei "entsetzt", dass die Position des
Parteichefs trotz der Unterstützung der FDP-Ehrenvorsitzenden
Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff nicht umgesetzt
worden sei.
Solange sich Westerwelle mit seiner Forderung nicht durchsetze,
Karsli aus der Fraktion auszuschließen, bestehe für den Zentralrat
"kein Gesprächsbedarf" mit der Partei. "Ich bedaure, dass sich Herr
Westerwelle nicht hat durchsetzen können", unterstrich Spiegel. Der
Zentralrat könne nicht nachvollziehen, dass Karsli Mitglied der
FDP-Fraktion bleibe. "Ich kann nur noch einmal sagen, die FDP muss
einfach alles tun, um auch nicht nur den Abschein von Antisemitismus
zu erwecken", betonte er.
Friedman: "Ohrfeige" für Westerwelle
Zentralrats-Vize Michel Friedman bezeichnete das Ergebnis der
Sitzung als "Ohrfeige" für Westerwelle. Es könne nicht angehen, dass
jemand zwar nicht FDP-Mitglied sein könne, aber in der Fraktion
bleibe, sagte er. "Solange dies der Fall ist und eine Entschuldigung
nicht ausgesprochen wird, kann und wird der Zentralrat jedenfalls
dies nicht hinnehmen." Möllemann habe sich durchgesetzt und "damit
der FDP sein Zeichen aufgedrückt"
Auch FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Gerhardt kritisierte den
Verbleib Karslis. Dies widerspreche der Erklärung des
Bundesvorstandes von Freitag. Er bedaure auch, dass sich Möllemann im
Streit um Karsli beim Zentralrat der Juden nicht entschuldigen wolle.
Vielen in der Partei mache diese Situation zu schaffen, sagte
Gerhardt. Eine "Beschädigung" von Parteichef Westerwelle wollte
Gerhardt aber nicht sehen.
(APA)