Bild nicht mehr verfügbar.

Die Weltausstellung in Chicago 1893

Foto: Archiv
Innsbruck - "Die Produkte aller Erdteile stehen uns zur Verfügung, und wir müssen nur auswählen, welches das beste und billigste für unsere Zwecke ist." Was wie ein Werbespruch eines Globalisierungs- oder New-Economy-Verfechters des 21. Jahrhunderts klingt, ist ein 150 Jahre altes Zitat und stammt von Prinz Albert, dem Gemahl der britischen Königin Victoria. Mit diesen Worten beschrieb er den Nutzen der "Great Exhibition", der ersten Weltausstellung, die 1851 in London stattfand und die tatsächlich ein Phänomen unserer Zeit vorwegnahm: einen globalen Kommunikationsraum. "Es gibt große Parallelen zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart", erläutert der Neuzeithistoriker Wolfram Kaiser. "Die Kompression von Raum und Zeit, die wir heute durch die Globalisierung besonders stark empfinden, ist auch für damals typisch." Neue Verkehrsverbindungen und schnellere Informationskanäle wie Transatlantikkabel brachten einen Internationalisierungsprozess in Gang, der mit dem heutigen durchaus vergleichbar sei. Weltausstellungen waren damals das zentrale Medium des internationalen Austauschs. Bei bisherigen historischen Studien wurde jedoch jeweils nur die nationale Perspektive einzelner Schauen untersucht. Erstmals erkunden nun Historiker vom Innsbrucker Institut für Zeitgeschichte im Projekt "Die Welt im Kleinen" deren globale Auswirkungen. Material finden sie in Staats-und Stadtarchiven, aber auch in Lebenserinnerungen und in den Briefen der Königin Victoria an Adelige in ganz Europa, in denen sie ihre Eindrücke von der "Great Exhibition" im Kristallpalast schildert. In historischen Zeitungsberichten wird eine weitere Parallele zur Jetztzeit deutlich: "Im innenpolitischen Diskurs, auch in Österreich, werden heute häufig Reformen durchgesetzt, indem man auf die Modelle anderer Länder verweist", beobachtet Historiker Kaiser. Dass es vor 150 Jahren ähnlich war, lässt sich am besten am Beispiel des Freihandels zeigen. 1846 hatte Großbritannien die "Corn Laws" und somit den Protektionismus abgeschafft. Die Londoner Ausstellung war in erster Linie ein Mittel, um den Freihandel auch anderen Ländern schmackhaft zu machen. Zurschaustellen britischen Reichtums erwies sich als viel erfolgreicher denn politischer Druck auf Frankreich oder Preußen. Die Weltausstellungen dienten auch der Imagewerbung. Japan investierte viel Geld in seine Präsentation und wurde vom Westen erstmals als modernes, offenes Land wahrgenommen. China dagegen, das im Westen als kulturell vorbildlich galt, betrieb keine einheitliche Ausstellungspolitik und rutschte so in ein Imagetief. "Auch gesellschaftliche Gruppen wie Arbeiter oder Frauen konnten sich auf den Ausstellungen präsentieren und so teilweise das dominante bürgerlich-männliche Weltbild aufbrechen", sagt Wolfram Kaiser. Selbst Einwohnern aus afrikanischen Kolonien gelang es, das vorherrschende, rassistisch geprägte Bild im Europa des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu verbessern. Und das, obwohl sie eigentlich nur herangeschafft worden wa- ren, um den Kolonialherren zu zeigen, wie Alltagsleben im afrikanischen Busch aussah. Die Innsbrucker Historiker legen Wert darauf, Forschung in einem internationalen Kontext anzulegen - nicht nur bei diesem FWF-geförderten Vorhaben. Projektchef Michael Gehler untersucht auch die Geschichte der europäischen Neutralität oder der transnationalen Christdemokratie. 50 Millionen Besucher Die Bedeutung der Weltausstellungen ist seit dem 19. Jahrhundert jedenfalls merklich geschrumpft, Fernsehen und Internet haben ihnen als globale Kommunikationsräume eindeutig den Rang abgelaufen: Überströmten 1900 in Paris noch 50 Millionen Gäste das Ausstellungsgelände, waren es hundert Jahre später in Hannover nur mehr 18 Millionen. (Kirsten Commenda /DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 6. 2002)