Am Samstag hat an der Volksoper das Tanzstück "Hyde and Jekyll" Premiere. Choreographin Catherine Guerin arbeitet dabei zusammen mit Liz King
Von Ursula Kneiss

Graz/Wien - Catherine Guerin ist in Österreich zurzeit sehr gefragt. Die in Deutschland lebende New Yorker Choreografin hat vor kurzem auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses mit dem Männerensemble von TanzGraz, so nennt sich nun die unter dem rührigen Ballettchef Darrel Toulon agierende Kompanie des Opernhauses, D.O.G.S. erfolgreich herausgebracht.

Kommenden Samstag bringt sie an der Volksoper Wien gemeinsam mit Liz King das Tanzstück Hyde and Jekyll zur Premiere, und zwischendurch, am Freitag und Sonntag, kann man auch im WUK ihr für die Linzer X.IDA Company, eine aus Absolventen des Bruckner-Konservatoriums zusammengesetzte Truppe unter der künstlerischen Leitung von Esther Linley und Johannes Randolf, geschaffenes und mittlerweile erfolgreich getourtes Stück Multipli(cities) sehen.

Was Graz betrifft, hat Catherine Guerin ganze Arbeit geleistet. Sie hat die tänzerischen Qualitäten der acht Männer voll zum Einsatz gebracht, hat individuelle Stärken beachtet, bestens genutzt und noch dazu ein spannendes Szenario geschaffen. In D.O.G.S. beschäftigt sich Guerin mit Gewalt. Gewalt, wie sie glatt gestriegelt, jedoch sämtliche Untertöne in sich tragend, in den Filmen von Quentin Tarantino zum Ausdruck kommt. Inspiration war ihr dessen Reservoir Dogs: Stil muss sein!

Alle tragen schwarze, salopp sitzende Anzüge; Es sind Männer, Männer die sich im Kampf - wunderbar abstrahiert dargebracht - berechnend, auch eisern, fast schon stahlhart geben; zeigen wozu sie fähig sind; Männer, die versteckt leiden, leiden aus dem Inneren heraus, und das besonders, wenn ihr Bandenpartner im abrupt eingesetzten Kugelfeuer erliegt.

Catherine Guerin hat zu einer Musikcollage aus diesem Gesamtszenario ineinander übergehende, klar verständliche Szenen geschaffen: Voll Sarkasmus, voll Humor, einfach mitreißend. Mitreißend wohl auch durch ihre immer wieder eingefügten Soli und Pas de deux. Und darin liegt Guerins Stärke: Wenn sie mit klassisch geschulten Tänzern arbeitet, dann weiß sie deren Fertigkeiten aus ihrer Sicht einzusetzen; und das gekonnt, noch dazu gepaart mit einer spezifischen Sensibilität. Mit D.O.G.S. jedenfalls, hat sie nicht nur beim Publikum einen Hit gelandet.

Die Arbeitsteilung

Die Gewalt, das Böse, dessen grausige Veräußerungen sind Inhalt von Catherine Guerins nächstem Tanzstück, welches sie gemeinsam mit Liz King in der Volksoper Wien am 8. Juni zur Uraufführung bringt. Pate der choreografischen Gemeinschaftsproduktion stand Robert Louis Stevensons Roman Dr. Jekyll und Mr. Hyde aus dem Jahr 1886.

Wie schon beim 1999 gemeinsam choreografierten Schwanensee Remixed setzt man auch dieses Mal auf strikte Arbeitsteilung. Catherine Guerin konzentriert sich auf "Dr. Jekyll" (2. Akt). Für sie bedeutet diese Seite des gespaltenen Menschen, dass er "eigentlich eine monströse Figur ist, ein ehrgeiziger Wissenschafter, ein penibler Forscher, ein sonorer, doch sehr bedeutender Herr der damaligen Londoner Gesellschaft."

Der Perfektionist

Sie betrachtet das Ganze als Allegorie, in welchem der minuziös werkende Perfektionist "Jekyll" das Ordnungsprinzip für den Tanz, die Organisation der Choreografie einnimmt. Der abtrünnige "Mr. Hyde" ist ihr Impulsgeber für den, nach ihrer Choreografie verlaufenden und doch freien, dynamischen Bewegungsduktus. Treibende Kräfte ihres Parts sind Michael Dolan und Daphne Strothmann.

Mr. Hyde hat sich Volksopernballettchefin Liz King vorgenommen: Sie zeichnet für den 1. Akt verantwortlich, Liz King: "Es ist die dunkle Seite, jene, in welcher das ,Böse' die Oberhand hat. Nur wie, frage ich mich, kommt der Mensch dazu, das in seinen Fantasien herrschsüchtig lauernd Böse zuzulassen."

Auch Liz King hat mit Mani Obeya und Esther Balfe ein dominierendes Hauptpaar. Alle anderen des 1. Aktes sind Teil von Mr. Hyde's multipler Persönlichkeit. Den musikalischen Remix aus Kompositionen von Frédéric Chopin und Eigenem besorgen Sebastian Schlachter und Stefan Strobl. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 04.06. 2002)