Mensch
Erste Tests am Menschen
Substanz gibt auch Stickstoffmonoxid ab - Keine Belastung für den Magen
Paris/San Francisco - Das Jahrhundert-Arzneimittel Aspirin
mit der Wirksubstanz Acetylsalicylsäure (ASS) soll bedeutend
verbessert werden: Bei einer Großtagung amerikanischer Spezialisten
für Magen- und Darmerkrankungen in San Francisco wurde eine
Weiterentwicklung - so genanntes NO-Aspirin - präsentiert. Dabei gibt
die Wirksubstanz Stickstoffmonoxid auch (NO) ab. Laut Untersuchungen
an gesunden Probanden verhindert das die hauptsächliche Nebenwirkung
von ASS: Reizungen der Magen- oder Zwölffingerdarmschleimhaut, die
bis zum Geschwür führen können. Die Acetylsalicylsäure wurde 1897 von dem Bayer-Chemiker Felix
Hoffmann als Antirheumatikum erfunden und damit - Jahresproduktion
derzeit rund 50.000 Tonnen weltweit - zum meist verwendeten
Schmerzmittel. 1988 wurde in der amerikanischen "Physician's Health
Study" mit 22.000 Medizinern als Teilnehmer bewiesen, dass ASS durch
eine Hemmung der Bildung von Blutgerinnseln auch einen
Herzinfarkt-Vorbeugeeffekt hat. Es gibt immer mehr Hinweise, dass die
Substanz auch bestimmte Krebserkrankungen (z.B. Darmkrebs) verhüten
helfen kann.
Doch ASS hat - ähnlich wie viele nichtsteroidale Antirheumatika
(NSAR) - auch den Nachteil einer durch sie hervorgerufenen Schädigung
der Schleimhäute des Magens und des Darmtraktes. Das muss nicht zu
Symptomen führen, die Schädigung ist aber oft durch Gastroskopien
nachweisbar.
Deshalb wird seit Jahren nach Verbesserungen des
Wirkstoff-Moleküls gesucht. Das französische Unternehmen NicOx und
die US-Arzneimittelfirma Axcan Pharma haben deshalb eine neue
Variante der Acetylsalicylsäure entwickelt. An das ASS-Molekül ist
ein weiteres Molekül gebunden, das gleichzeitig Stickstoffmonoxid
(NO) abgibt.
NO ist ein für den Organismus enorm wichtiger Botenstoff. Es führt
zum Beispiel zur Erschlaffung der glatten Muskulatur (auch der
Blutgefäße) und ist damit bedeutsam für die Blutdruckregelung. In der
Magenschleimhaut regelt NO die Durchblutung und führt zu einer
Verstärkung der Bildung der schützenden Schleimschicht, schützt den
Magen vor aggressiven Sauerstoff-Radikalen und verursacht eine
schnellere Ausheilung von Schäden.
Mittlerweile wurde die neue potenzielle Wirksubstanz NCX 4016
bereits an gesunden Probanden erprobt. Der Gastroenterologe
Univ.-Prof. Dr. Stefano Fiorucci von der Universität in Perugia
(Italien) laut einer Aussendung des Unternehmens in San Francisco:
"Die Ergebnisse unserer Studie deuten darauf hin, dass NCX 4016
faktisch keine toxische Wirkung auf den Magen hat und die Aktivierung
von Blutplättchen wirksam verhindert." Das deute darauf hin, dass NCX
4016 über die klassischen Anwendungsgebiete von Aspirin hinaus zur
Verhinderung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch dann
mit positivem Effekt angewendet werden könnte, wenn Aspirin wegen
seiner Magenschädlichkeit nicht benutzt werden kann.
Die 40 Testpersonen hatten bis zu eine Woche lang mit in einer
Vergleichsstudie entweder das klassische Aspirin, die neue Substanz
oder ein Scheinmedikament (Placebo) eingenommen. Mittels Gastroskopie
waren eventuelle Veränderungen der Magenschleimhaut festgestellt
worden. Dabei stellte sich laut den Wissenschaftern heraus, dass das
NO-Aspirin nicht mehr "Nebenwirkungen" als das Scheinmedikament ohne
Inhaltsstoff hatte. Es gab auch Hinweise auf eine im Vergleich zu ASS
bessere Wirksamkeit auf die Blutplättchen, deren Aktivierung bzw.
Zusammenballung zu Gerinnseln ja verhindert werden soll.
Bis zur Verwendung als Medikament müssen mit der Substanz aber
noch umfangreiche klinische Studien an Patienten durchgeführt werden,
um die richtige Dosierung und die Wirksamkeit zu prüfen. Das kann
noch Jahre dauern. (APA)