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APA/Holger Hollemann
Saufexzesse, Zwei-Meter-Strohhalme, gelüpfte Shorts: Der legendäre Strandkiosk Balneario 6 an der Playa de Palma lockt allsommerlich Tausende von Partytigern nach Mallorca. Der Ballermann ruft, und die Spaßsüchtigen kommen. Fern bleiben aber zunehmend diejenigen, die sich unter Urlaub etwas anderes vorstellen als die feriale Ausweitung der Partyzone. "Viele, die Mallorca nicht kennen, haben den Eindruck, die Insel bestünde nur aus dem Ballermann", benennt der balearische Tourismusminister Celestí Alomar das Problem. Das Ballermann-Problem ist allerdings nur ein Problem unter vielen, mit denen sich Mallorca derzeit herumschlägt. Die seit Anfang Mai eingehobene Ökosteuer in der Höhe von einem Euro pro Nacht, zunehmender Wassermangel, die Unkenrufe über die Qualität des Meerwassers, die Teuerung: Das alles beschert der Insel Negativwerbung. Dazu der Bus- streik im vergangenen Sommer, der Hai vor der Küste, der Sturm, der viele Strände ruinierte. "Mallorca in der Krise" ist die seit zwei Sommern häufigste Headline der Berichte über die Ferieninsel. Seit 1999 sind die Zahlen in der Tat rückläufig. Im letzten Jahr kamen beinahe 250.000 Deutsche und 20.000 Österreicher weniger. Bei einer Gesamtzahl von etwas über sieben Millionen Besucher im Jahr kein wirklich beunruhigender Einbruch, doch der Trend geht weiterhin nach unten. In der Vorsaison ist es an der Playa ruhig. Viele Senioren befinden sich derzeit auf der Insel und zahlreiche Radfahrer. Für sie ist Mallorca um diese Jahreszeit genau das Richtige, erklärt der deutsche Kellner in einer der offenen Strandbars. Joe arbeitet schon seit fünf Jahren auf der Insel, doch so ruhig wie in diesem Jahr, sagt er, war es hier noch nie. "Die Langzeiturlauber, die hier den Winter verbringen, sind schon weg, jetzt kommen die Vereine." Der Kegelklub aus Wuppertal, das Damenkränzchen aus Bayern. Der Präsident des balearischen Unternehmerverbandes ist pessimistisch. Die Reservierungen seien so schlecht, dass man mit einem Einnahmeausfall von 420 Millionen Euro rechnen müsse. Trifft man Juan Carlos Alía, den Unternehmenssprecher der TUI, die so viele Touristen nach Mallorca bringt wie kein anderer Veranstalter, sieht die Inselwelt schon wieder etwas anders aus: "Natürlich mussten wir Einbußen hinnehmen. Das war nach dem Rekordjahr 1999, als wir von der Krise im östlichen Mittelmeerraum profitierten, aber auch vorhersehbar." Für die TUI sind die Balearen die wichtigste Feriendestination. Weswegen man eine eigene Mallorca-Image-Kampagne konzipierte: Ob einsame Finca oder 18-Loch-Golfplatz, die Insel biete etwas für jeden Geschmack. Oder, wie es im TUI-Katalog heißt: "Mallorca ist einfach so groß, dass jeder seinen Lieblingsplatz findet." Vor allem um Radsportler und Wanderer bemüht man sich mit eigenen Produktlinien. Eingeschossen hat man sich auf Celestí Alomar, den Tourismusminister. Dessen Aussage im deutschen Focus , der Massentourismus solle um 20 Prozent heruntergefahren werden, treibt Alía immer noch die Zornesröte ins Gesicht: "Mit solchen Aussagen vergrätzt man doch die Touristen!" Mit dieser Meinung steht der Unternehmenssprecher nicht alleine dar. Der Minister avancierte mitsamt seiner linken Regierung zum Buhmann der Tourismusindustrie. Vor allem seit die Idee der Ökosteuer Gestalt angenommen hat. Sie ist nur ein Baustein einer Strategie, die dem ungebremsten Wachstum der Insel einen Riegel vorschieben will. Im Vorjahr wurde ein Baustopp verhängt. Nur Modernisierungen bestehender Hotels werden künftig zugelassen. Kürzlich vermeldete der Minister bereits stolz, dass die Zahl der Hotels 2001 um 28, die Zahl der Hotelbetten um 1502 zurückgegangen sei. Ein klares Konzept sehen viele hinter den Aktivitäten des Ministers allerdings nicht. "Es ist immer noch unklar, was mit der Steuer eigentlich passieren soll", empört sich Alía. Die Außenwirkung ist jedenfalls groß. Deutsche Boulevardzeitungen heben Meldungen aus Mallorca regelmäßig auf die Titelseite, Privatsender bringen große Reportagen, was auf der Insel wieder einmal schief läuft. Die so genannte Krise, meint dagegen manch einer, sei zu einem großen Teil ein Medienphänomen. Bezeichnend etwa die Berichterstattung über ein kürzlich erlassenes spanisches Gesetz, das den Konsum von Alkohol auf offener Straße verbietet. Es soll den Alkoholkonsum von jungen Spaniern eindämmen, und ist nicht speziell gegen Touristen gerichtet. Deutsche Medien sahen das anders: "Jetzt dürfen wir nicht einmal mehr im Freien trinken!" (Der Standard | Rondo | Stephan Hilpold)